Worum geht’s in «Squid Game»? Eine geheimnisvolle Firma rekrutiert in koreanischen Städten verarmte, verschuldete und verzweifelte Menschen. Sie werden betäubt und wachen mit Nummern auf ihrer Kleidung in einer riesigen Halle auf.
Einmal dort angekommen, müssen sie in Kinderspielen gegeneinander antreten. Etwa in dem Spiel, bei dem alle auf den Spieler an der Wand zulaufen, bis dieser sich umdreht. Wer sich dann noch bewegt, hat verloren – und wird direkt erschossen. Es gibt also bereits in der ersten Runde in der ersten Staffel Hunderte von Toten.
«Squid Game» ist raffinierter als die Filmreihe «Hunger Games». Bei den «Hunger Games» handelt es sich um perfide Gladiatorenspiele in einer Diktatur. Die Geschichte stammt ursprünglich aus Japan.
«Squid Game» aus Korea ist etwas raffinierter. Die Spielerinnen und Spieler sind theoretisch freiwillig dabei. Den armen Leuten wird viel Geld versprochen. Nach jeder Runde landet für jeden Toten wieder neues Geld im Jackpot. Der Gewinner am Ende bekommt die ganzen Millionen. Nach jeder Runde könnten die Spieler eigentlich, wenn sie sich gegenseitig absprechen würden, als Mehrheit das Spiel abbrechen.
«Squid Game» fasziniert durch Zynismus und Sozialkritik, kombiniert mit intelligenter Machart. Letztlich ist es eine einfache Formel: Gladiatorenspiel ohne Grenzen plus Sozialkritik-Komponente. Das Ganze ist unerträglich brutal, gleichzeitig unendlich faszinierend.
Die Figurenzeichnung ist ebenfalls gut gemacht. Man lernt die Spielerinnen und Spieler und ihre Allianzen gut kennen. Auch als Unterhaltungsformat ist es intelligent gemacht: Es spricht die primitiven Instinkte an und legitimiert sie zugleich. So funktioniert auch jeder «Tatort».
«Squid Game» reiht sich ein in die sozialkritische Filmtradition Südkoreas. Schon einer der berühmtesten koreanischen Filme von 1960, «Das Hausmädchen» von Kim Ki-young, spielt mit dem Gegensatz eines reichen Haushaltes und der armen Hausangestellten, die sich rächt.
Der südkoreanische Regisseur Bong Joon-ho, der mit seinem Oscar-gekrönten Film «Parasite» von 2019 bekannt wurde, hat auch den Film «Host» gedreht. Darin geht es um ein Monster, das über eine Stadt herfällt – auch das ist eine Sozialsatire. Ins gleiche Genre fällt Bong Joon-hos «Snowpiercer»: In einem Zug leben die Reichen in einem vorderen Teil, die Armen arbeiten hinten.