Superhelden lassen sich von nichts aufhalten. Nicht einmal von Corona. Die neuste Ausdehnung des Marvel Cinematic Universe (MCU) beweist: Disney braucht keine Kinosäle, um seinen knallbunten Bombast an den Mann zu bringen.
Dafür reicht dem Maus-Haus eine eigene Streaming-Plattform, die das MCU noch grösser und mächtiger machen soll. Kenner der Materie wissen: Der kürzlich veröffentlichte Nostalgie-Trip «WandaVision» war nur der Beginn einer weiteren Phase im profitablen Plan von Marvel-Mastermind Kevin Feige. «The Falcon and the Winter Soldier» ist die zweite von 17 MCU-Serien, die bis 2023 auf Disney+ erscheinen sollen.
Klar gab es schon vorher Marvel-Serien. Doch die mussten ungleich günstiger produziert werden. «The Falcon and the Winter Soldier» ist dagegen Chefsache: Produzent Kevin Feige standen für den Sechsteiler satte 150 Millionen Dollar zur Verfügung. Und das sieht man der bildgewaltigen Serie auch an: Selten war der hochtrabende Begriff «Home Cinema» treffender als hier.
Neuer Nationalheld gesucht
Die Story kreist um Captain Americas Nachfolger. Denn Steve Rogers, der den blau-weiss-roten Schild einst von Präsident Roosevelt erhielt, ist bekanntlich seit «Avengers Endgame» in Rente. Beerben soll ihn ein Mann, der von seinen Neffen liebevoll «Uncle Sam» genannt wird: Samuel Thomas Wilson, besser bekannt als Superpatriot «Falcon».
Doch der Afroamerikaner zögert, die Last des bedeutungsschweren Schildes zu tragen. Darum landet die stahlharte Vibranium-Scheibe vorerst im Museum, bevor sie ein anderer an sich reisst.
Ebenfalls in Steve Rogers Fusstapfen treten könnte dessen ehemaliger Sidekick Bucky Barnes. Aber Captain Americas alter Kumpel kämpft gerade mit seiner dunklen Vergangenheit als «Winter Soldier». Wenig erfolgreich, wie seine Psychoanalytikerin findet.
Prager Prügel in der falschen Schweiz
Szenenwechsel: Plötzlich sind wir in der Schweiz. Das behauptet wenigstens der Einblender. Gedreht wurde in Prag – mit Zürcher Nummernschildern. Eine anti-nationalistische Terrortruppe, die sich «Flag Smashers» nennt, überfällt in der Altstadt die «Gasel Bank».
Das führt zu grossem Geschrei auf dem Bildschirm und animiert die Comic-Community zum Fachsimpeln: Beim maskierten Anführer der «Flag Smashers» muss es sich um den Diplomatensohn Karl Morgenthau handeln. Ein Schweizer Weltenbürger, der seit dem Tod seines Vaters in einer Botschaft gegen die Idee getrennter Nationen kämpft.
Trittst als Morgenthau daher
Was uns die Marvel-Serie mit der Rückkehr des 1985 erfundenen Schurken sagen will, ist nicht ganz klar. Etwa, dass die identitätsstiftende Wirkung von Nationen und der damit verknüpfte Patriotismus doch keine überholten Konzepte sind?
Abwarten! Voreilige Schlüsse wären nach der ersten Folge verfehlt. Auch wenn diese mit einer pathetischen Rede an die US-Bevölkerung endet: «Wir brauchen jemanden, der die grössten Werte Amerikas verkörpert. Wir brauchen wieder jemanden, der uns inspiriert. Jemanden, der für uns alle ein Symbol sein kann.»
Die erste Episode von «The Falcon and the Winter Soldier» ist seit dem 19. März auf Disney+ verfügbar. Die weiteren fünf Folgen erscheinen im Wochentakt jeweils freitags.