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Filmkritik zu «99 Moons»
Aus Kultur-Aktualität vom 11.01.2023. Bild: Filmcoopi
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 22 Sekunden.

Neu im Kino «99 Moons»: Liebesspiele mit Laiendarstellern

Einmal und nie wieder? Der Schweizer Regisseur Jan Gassmann erforschte für seinen neuen Spielfilm Regelbrüche und Rollenspiele – zehn Jahre lang.

«Auf Französisch gibt es die ‹amour physique›, die körperliche Liebe. Auf Deutsch benutzt man das kaum. Da gibt es Liebe oder Sex», sagt der Schweizer Regisseur Jan Gassmann (39). «Genau diese körperliche, unerklärliche Liebe zwischen zwei Menschen hat mich interessiert.»

Das Drama «99 Moons» beginnt mit Bignas und Franks erstem Zusammentreffen. Bigna ist Wissenschaftlerin. Ihre sexuellen Wünsche erfüllt sie sich mit anonymen Treffen mit fremden Männern, mit denen sie Vergewaltigungsszenen spielt. Einvernehmlich.

Frank sollte eigentlich so ein einmaliges Date sein. Doch er ist fasziniert und angezogen von Bigna, von ihrer dominanten Art. Er möchte sie wiedersehen. Auch sie bricht für Frank ihren Vorsatz, alle Männer nur einmal zu treffen.

Eine Frau und ein Mann liegen nackt zusammen im Bett und schauen sich an.
Legende: Bigna und Frank kommen nicht voneinander los. Geplant war das nicht. Filmcoopi

Von da an folgt der Film den beiden Liebenden. Wie sie sich annähern, wieder entfernen, sich neu orientieren, sich doch nie vergessen können und immer wieder aufeinandertreffen. Über 99 Monde, also 99 Monate hinweg.

«Liebe, die weh tut»

Zehn Jahre lang hat Jan Gassmann immer wieder an seinem Spielfilm gearbeitet. Die Figuren und Themen sind mit ihm gewachsen. In dieser Zeit arbeitet er auch an anderen Projekten. Etwa am Apokalypse-Film «Heimatland» (2015), der für den Schweizer Filmpreis nominiert wurde.

Und da war der Dokumentarfilm «Europe, She Loves» (2016), der die Liebesbeziehung von vier Paaren in Europa zeigt. «Europe, She Loves» eröffnete 2016 die Sektion Panorama an der Berlinale, wurde für den Europäischen Filmpreis nominiert und gewann zahlreiche Preise.

SRF-Koproduktion

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«99 Moons» wurde vom Schweizer Fernsehen SRF koproduziert.

Auch «99 Moons» hatte bereits einen beeindruckenden Start. Er hatte seine Weltpremiere am Filmfestival in Cannes. Dort begeisterte er die Branche – das Drama wird in zahlreichen Ländern Europas und in Übersee in die Kinos kommen. Darunter in Japan, Südkorea und mehreren Ländern in Nord- und Südamerika.

«Anfangs sollte der Film eine Liebesgeschichte zeigen, die drei Monate dauert», sagt Gassmann. Aber diese pure Liebe der ersten drei Monate habe ihn immer weniger interessiert: «Spannender fand ich eine Liebe, die unerfüllbar ist und weh tut, zu einem Menschen, von dem man nicht loskommt.»

Keine Profis

Spannend fand Gassmann auch die schon eingangs erwähnte körperliche Liebe. Dementsprechend viele Sexszenen spielten die beiden Hauptdarstellenden Valentina Di Pace und Dominik Fellmann. Beide sind keine professionellen Schauspielenden. Für beide ist «99 Moons» eine der ersten Erfahrungen in einem Spielfilm.

Ein Mann und eine Frau haben Sex in einer Küche.
Legende: Für solche Szenen stand den Schauspielenden eine Intimitäts-Koordinatorin zur Seite. Sie sorgt dafür, dass sich alle wohl fühlen bei den intimen Szenen. Filmcoopi

«Es war kein bewusster Entscheid, auf Laiendarstellende zu setzen», sagt Gassmann. «Wir haben auch professionelle Darstellende gecastet. Doch das Wichtigste war, dass die Energie zwischen den beiden stimmt. Und das tut sie bei Valentina und Dominik.»

Di Pace und Fellmann verkörpern überzeugend zwei Menschen, die aus unerklärlichen Gründen nicht voneinander loskommen. Der Film sprengt verstaubte Rollenbilder, gerade in der Sexualität, und hinterfragt die gängigen Beziehungsmodelle und Lebensentwürfe. «99 Moons» entwickelt einen regelrechten Sog und lässt einen nicht mehr los.

Kinostart: 12. Januar 2023

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 11.01.2023, 17:20 Uhr

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