Das Magic Castle Inn ist ein violett gestrichenes Motel in der Nähe von Floridas Disney World. Trotzdem logieren kaum Touristen dort. Die meisten Gäste sind Dauermieter, wie die alleinerziehende Mutter Halley (Bria Vinaite).
Mit Mühe bringt sie die 35 Dollar pro Nacht auf, die das schmucklose Zimmer pro Nacht kostet. Diese karge Welt unmittelbar vor den Toren von Disneys Illusionsparadies sieht das Kinopublikum vor allem durch die Augen von Halleys sechsjähriger Tochter Moonee (Brooklynn Kimberley Prince).
Das stärkste Zitat
«Wer passt auf Moonee auf, wenn du arbeitest?», fragt der Motel-Manager Bobby (Willem Dafoe) Halley. Statt zu antworten, schreit sie ihn an: «Du bist nicht mein Vater!» Offenbar hat er einen wunden Punkt getroffen.
Halley lässt ihr Töchterchen nämlich mehr oder weniger verwildern. Stundenlang ist das Mädchen mit anderen Kindern ohne Aufsicht unterwegs und stellt entsprechend viel an.
Der Regisseur
Regisseur Sean Baker landete vor zwei Jahren mit dem zu 100 Prozent per Handy gefilmten Drama «Tangerine» einen Festival-Erfolg. Der ungeschönte Blick auf den Alltag einer Transgender-Prostituierten in Hollywood gewann über 20 Preise.
«The Florida Project» ist bereits bei über 50 Preisen angelangt plus einer Oscar-Nomination für Willem Dafoe als bester Nebendarsteller. Unter Fachleuten gilt Sean Baker bereits als jüngere, amerikanische Version von Ken Loach, weil er in beiden Filmen die harte Realität von sozialen Aussenseitern skizziert hat.
Fakten, die man wissen sollte
Ausser Willem Dafoe sind alle Darsteller Laien. Die tätowierte Bria Vinaite, die Halleys Mutter spielt, hat Regisseur Baker auf Instagram entdeckt. Sie und alle anderen Darsteller wirken daher in ihren Rollen verblüffend natürlich, insbesondere die Kinder.
Sean Baker meint zu seinem authentischen Wunderwerk ganz nüchtern: «Für die Kinder war der Dreh einfach nur ein Abenteuer, so als würden sie ein Ferienlager besuchen. Oft haben wir sie einfach beim Spielen gefilmt.»
Das Urteil
«The Florida Project» wirkt über weite Strecken wie ein Dokumentarfilm. Denn Sean Baker drehte in echten Billigmotels in Orlando, wo tatsächlich viele Familien leben, die nach dem Platzen der Immobilienblase obdachlos geworden sind.
Da er diese Armut mit dem naiven Blick der Kinder zeigt, kreiert er kein Betroffenheitskino, sondern ermöglicht dem Publikum eine fast schon komplizenhafte Nähe. Das wirkt frisch und reisst mit.
Kinostart: 8. Februar 2018