Im deutschsprachigen Raum ist er so gut wie unbekannt, aber es ist keineswegs zu spät, sich seinen Namen zu merken: Albert Dupontel. Der einstige Medizinstudent und Stand-up-Comedian erinnert als Schauspieler wahlweise an Josef Hader, Terry Jones, Nicolas Cage oder – wie in einer amüsanten Szene von «Au revoir là-haut» – an Buster Keaton.
Wenn er jedoch Drehbücher schreibt und Regie führt, erinnert er in seinem visuellen Übermut vor allem an Filmemacher und Monthy-Python-Mitbegründer Terry Gilliam.
Dupontels ehrgeizigstes Projekt
Doch genug der Namen: Dupontel ist als Autor vor allem ein Spezialist für überdrehte, actionlastige Brachialkomödien. Nun hat er sich an eine aufwendige Literaturverfilmung gewagt und spielt auch gleich eine der Hauptrollen darin.
Der Roman «Au revoir là-haut» (auf Deutsch: «Wir sehen uns dort oben») von Pierre Lemaître hat 2013 den renommiertesten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt, gewonnen. Es handelt sich um ein Drama aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Dupontel hat den Roman zusammen mit Lemaître adaptiert – bisher zweifellos Dupontels ehrgeizigstes Projekt.
Tragische Geschichte, witzig erzählt
Auf dem Papier liest sich die Geschichte tragisch: Édouard Péricourt ist ein Veteran, der seinen im Krieg weggeschossenen Kiefer hinter einer Vielzahl von selbstgebasten Masken verbirgt. Aus einem Versteck heraus verkauft Édouard Kriegsdenkmal-Skizzen unter falschem Namen und verschwindet jeweils spurlos, wenn er das Budget für die Umsetzung in der Tasche hat.
Zudem plant er gemeinsam mit seinem Freund Albert Maillard (Albert Dupontel), sich am Offizier zu rächen, der für seine Verletzung verantwortlich ist.
Der Film «Au revoir là-haut» lässt sich keinem Genre zuordnen. Er beginnt als verstörend brutales Kriegsepos. Er ist streckenweise ein Familiendrama – Édourad (Nahuel Peréz Biscayart) hat ein zutiefst gestörtes Verhältnis zu seinem autoritären Vater (Niels Arestrup).
Doch im Grossen und Ganzen überwiegt wie auch in der Buchvorlage die Tonalität eines Schelmenromans. Bei aller Tragik finden Lemaître und Dupontel in ihrem Film Platz für Slapstick, Situationskomik und grenzwertigen schwarzen Humor.
Wenig Zwischentöne, aber Biss
Man könnte Dupontel vorwerfen, dass sein knalliger, bisweilen fast cartoonhafter Regiestil nicht unbedingt zur dargestellten Epoche passt. Dupontel gehört zu den Künstlern, die im Zweifelsfall das Karikaturale dem Feingefühlten vorziehen: Zwischen Witz und Drama bleibt bei ihm wenig Platz für psychologische Details.
Dupontel ist zudem jemand, der sich lieber in seiner Filmkunst suhlt, als das wahre Leben abzubilden. Und er ist als Schauspieler etwa 20 Jahre zu alt für die Rolle, die er sich selbst gegeben hat.
Kurzweilig und packend
Doch nichts von alledem spielt eine Rolle. «Au revoir là-haut» ist kurzweiliges, packendes, mitreissendes Kino – mit einer elegant bewegten Kamera, mit einem wunderschönen Soundtrack, mit viel Nachkriegszeit-Paris-Lokalkolorit, mit einem herrlichen Bilderbuch-Bösewicht (Laurent Lafitte) und einem schier unendlichen Arsenal an Gesichtsmasken auf dem Kopf der Hauptfigur.
Das alles ist zwar nicht sehr subtil, aber es ist charmant, poetisch, verträumt, witzig und hat Biss bis ins Knochenmark und wer die früheren Filme von Albert Dupontel noch nicht kennt, wird hier also eine Entdeckung machen.
Kinostart: 7.6.2018
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 7.6.2018, 17.20 Uhr