«The Girl from Ipanema», «Chega de Saudade», «Desafinado» – diese Bossa-Nova-Klassiker sind Welthits der lateinamerikanischen Musik.
Der 1931 geborene João Gilberto hat sie zwar nicht komponiert, wie gelegentlich behauptet wird, aber er machte sie berühmt. Nur mit seiner Stimme und einer Gitarre.
Revolution im Badezimmer
Im Rio de Janeiro der 50er-Jahre gilt Gilberto als jugendlicher Träumer. Seine Versuche in Bands zu spielen scheitern. Dann erfindet er im Alleingang die Bossa Nova und schreibt Musikgeschichte. Im Badezimmer seiner Schwester, wo sich Gilberto einschliesst, übt er wie ein Besessener und perfektioniert seinen neuen, reduzierten Stil.
Georges Gachot, Regisseur und Experte für brasilianische Musik, macht sich in seinem Kinofilm «Wo bist du, João Gilberto?» auf die Suche nach der Legende. Als Student in den 80ern hört er Gilbertos Stimme zum ersten Mal und kommt nicht mehr von ihr los. Seine Musik fasziniert ihn.
Der leise Weltstar
«Gilberto spielt mit der Zeit», sagt Regisseur Gachot. «Jede Interpretation klingt anders. Mal kommt der Text vor dem Schlag, mal nach dem Schlag. Die Freude an der Musik macht ihn frei und so entdeckt man das Stück jedes Mal neu.»
Doch im Brasilien der 1950er-Jahre ruft Gilbertos eigentümlicher Gesangsstil zunächst einen Sturm der Entrüstung hervor, denn er klingt ganz anders als die üppige Tradition der brasilianischen Musik.
Oft flüstert der Musiker nur, sein Gesang ist beinahe unhörbar. Aber die Abneigung legt sich. Mitte der 60er-Jahre wird João Gilberto dann zum Weltstar. Mit Liedern, die einem das Herz brechen könnten, auch wenn man ihre Texte nicht versteht.
Sagenumwobene Gestalt
So wie viele junge Bossa-Nova-Musiker zieht es João Gilberto 1962 in die USA, wo er einige Jahre lebt, dann nach Mexiko. Erst 1980 kehrt er zurück nach Rio.
Als seine Plattenfirma Ende der 80er-Jahre ohne Zustimmung die Klangästhetik seiner alten Alben beim Mastering-Prozess verändert, zieht sich Gilberto komplett aus der Öffentlichkeit zurück. Mit der Musikindustrie verhandelt er seitdem nur noch über Anwälte.
Viel mehr ist über den Musiker nicht bekannt. In der Öffentlichkeit sieht man ihn nie. Er soll sich irgendwo in Rio in einem Apartment verstecken und bis zu zehn Stunden am Tag Gitarre üben.
Journalisten scheut er wie die Pest und gibt keine Interviews. Mit der Aussenwelt kommuniziert João Gilberto per Telefon – nachts.
Konzerte sind die Ausnahme und er beendet sie gerne mal vorzeitig, wenn irgendwer zu laut spricht, die Akustik nicht perfekt oder ein Scheinwerfer falsch platziert ist.
Rückzug als logische Konsequenz
«Obwohl Gilberto 1962 in der Carnegie Hall in New York vor tausenden von Zuschauern gespielt hat, er war immer medienscheu», erklärt Gachot. «Die ganze Band war schon auf der Bühne, nur João Gilberto nicht. Der kam sehr spät, war in seiner Garderobe und hatte viele Ausreden, er hat es immer hinausgezögert auf die Bühne zu kommen.»
Dass sich João Gilberto irgendwann völlig zurückziehen würde, musste so kommen, ist sich Gachot sicher: «Ich glaube, so ist seine Musik, die Bossa Nova. Das ist in sich gekehrte Musik, Musik, die vom Herzen kommt. Dieser Rückzug ist für mich eigentlich nur die logische Konsequenz.»
Kinostart: 13.9.2018