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Neu im Kino «Aus dem Nichts» ist ein arrangierter Kampf

Eine Hochzeit im Knast, rechtsextreme Mörder und ein endloser Prozess: Fatih Akins neuer Film bietet Gefühle wie ab Maschine.

Fatih Akins jüngster Film beginnt mit einer Hochzeit im Gefängnis. Katja Şekerci (Diane Kruger) heiratet Nuri (Numan Acar), einen Secondo-Türken, der wegen Drogenhandel einsitzt. Er war ihr Haschlieferant, so haben sie sich kennengelernt.

Zehn Jahre später hat Nuri ein Übersetzungsbüro in Hamburg. Seit der Geburt des Sohnes hat er für die Familie eine Existenz aufgebaut. Mit Hilfe seines Vaters konnte das Paar ein schönes Haus ausserhalb der Stadt kaufen.

Video
Trailer «Aus dem Nichts»
Aus Kultur Extras vom 24.11.2017.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 14 Sekunden.

Katja liefert den Sohn im Geschäft ab, um mit der schwangeren Schwägerin in die Sauna zu gehen. Als sie am Abend zurückfährt ist die Strasse gesperrt, überall stehen Polizisten. Eine Bombe ist explodiert vor Nuris Laden. Katjas Mann und Sohn sind tot.

Der Kampf um Gerechtigkeit

Die Ermittler gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass Nuri in irgendwas verwickelt war und die türkische oder kurdische Mafia hinter dem Bombenanschlag steht.

Im Kern der Geschichte, die Fatih Akin erzählt, steht die Ungeheuerlichkeit, dass – wie von den NSU-Mördern demonstriert – in Deutschland Menschen umgebracht wurden, einfach, weil sie einer anderen Nationalität angehörten. Und dass das für so unmöglich gehalten wurde, dass es jahrelang nicht einmal richtige Ermittlungen gab.

Diane Kruger in «Aus dem Nichts».
Legende: Eine aufgebrachte Mutter: Diane Kruger in «Aus dem Nichts». Warner Bros.

Dem gegenüber stellt der Film den Schmerz der Betroffenen und deren Bedürfnis nach Gerechtigkeit oder Rache. Beides verkörpern die von Diane Kruger gespielte Katja und der von Denis Moschitto gespielte Anwalt, der Katja beim Prozess vertritt.

Hauptrolle in der Muttersprache

Kruger ist glaubwürdig und stark in dieser für sie ungewöhnlichen Rolle. Es ist die erste Hauptrolle, die Kruger in ihrer Muttersprache spielt.

Auch äusserlich gelingt die Annäherung an die Figur: die blonde, blauäugige junge Frau aus Husum, die sich als Studentin in den ebenso jungen Türken verliebt hat, das Studium abbrach, den gemeinsamen Sohn betreute, die Buchhaltung des Mannes übernahm und sich hin und wieder ein neues Tattoo stechen liess, zum Ärger ihres Mannes.

Nach all den Glamour-Rollen, in denen man Kruger gesehen hat, ist es erfreulich, dass sie hier nicht eine Komplettverwandlung versucht, sondern mit schauspielerischem Talent diese Frau verkörpert.

Die Geschichte dahinter

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Vor 6 Jahren deckte die deutsche Polizei den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) auf: Jahrelang hatte die rechtsextreme Terrorgruppe um Beate Zschäpe unbehelligt Anschläge, Morde und Raubüberfälle verübt. Die Polizei tappte im Dunkeln, weil sie fremdenfeindliche Motive ausschloss. Was folgte: Einer der grössten deutschen Strafprozesse.

Zwischen Prozess und Familiendisput

Abgesehen von dieser respektablen Leistung bleibt der Film dramaturgisch auf einem simplen Niveau. Prozessszenen wechseln sich ab mit Familiendisputen.

Die kurdischen Schwiegereltern möchten die sterblichen Überreste von Sohn und Enkel mit in die alte Heimat nehmen, Katjas Mutter erweist sich als latent fremdenfeindlich, Nuris Mutter gibt der Schwiegertochter die Schuld am Tod ihrer Liebsten.

Zu viel Drehbuchmechanik

Und der von Johannes Krisch gespielte Anwalt der Angeklagten ist ein Bilderbuchschmierfink, der einen griechischen Neonazi als Entlastungszeugen einfliegen lässt. Während ausgerechnet der von Ulrich Tukur gespielte Vater des einen Angeklagten gegen seinen Sohn aussagt und so die anständige Mehrheit der Deutschen verkörpert.

Es folgt der unvermeidliche Freispruch der Angeklagten aus Mangel an Beweisen und eine Schleife über Griechenland, in der Katja versucht, für sich Gerechtigkeit zu finden und die Dinge in die eigene Hand zu nehmen.

Das ist alles gut und flüssig erzählt, der Film hat eine gewisse Spannung und ein paar starke Momente. Aber es bleibt zu viel Drehbuchmechanik sichtbar, um wirklich unter die Haut zu gehen.

Kämpft für Gerechtigkeit: Diane Kruger in Fatih Akins neuem Film.
Legende: Kämpft für Gerechtigkeit: Diane Kruger in Fatih Akins neuem Film. Warner Bros.

Geschraubt, gefeilt und optimiert

Fatih Akin hat das Drehbuch zusammen mit Hark Bohm geschrieben und der Film wirkt so, als ob daran nach allen Regeln der zeitgenössischen Produktionsgepflogenheiten geschraubt, gefeilt und optimiert wurde.

Jedenfalls fehlt dem Film bis auf wenige Momente die Rohheit und Wucht, die seinerzeit «Gegen die Wand» zum Ereignis gemacht hatten.

In erster Linie liegt das daran, dass in «Aus dem Nichts» die Figuren Ideen und Gefühle zu verkörpern haben, dass die Geschichte passend geschrieben wurde, um reale Ereignisse zusammenfassend zu dramatisieren.

Das macht Menschen zu Funktionen und ihre Beziehungen zu dramaturgischen Energieträgern. So was funktioniert besser mit Comic-Super- oder Antihelden, und nicht so gut mit menschlichen Figuren, die einem wirklich ans Herz wachsen sollen.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 23.11.2017, 16.50 Uhr

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