Woran denkt Hollywood nach jedem Hit? An eine Fortsetzung natürlich. Schliesslich soll das Publikumsinteresse schnellstmöglich in Erträge umgemünzt werden. Ausgerechnet beim erfolgreichsten Film aller Zeiten lief es erstaunlicherweise anders.
Als «Avatar» vor 13 Jahren in die Kinos kam, war die Filmwelt eine andere: Marvel hatte seine Herrschaft über die Multiplex-Arenen noch nicht begonnen. Und punkto Einspielergebnisse konnte «Titanic» niemand das Wasser reichen.
Der gigantische Erfolg von James Camerons Öko-Fantasy-Epos veränderte die Branche nachhaltig. Vor allem, weil 3D-Filme in den Kinosälen danach zur Norm wurden. Lichtspielhäuser, die nicht auf digitale Projektionssysteme setzten, verloren den Anschluss.
Langer Atem, ruhiger Puls
Für alle Zukunftsgerichteten begann das grosse Warten. Denn eigentlich war «Avatar 2» für 2014 angedacht. Weil Cameron ein Unterwasserspektakel mit revolutionär neuen Bildern bieten wollte, kam der Produktionsprozess ins Stocken. Sage und schreibe siebenmal wurde der Starttermin verschoben, zuletzt freilich auch wegen der Pandemie.
Andere Regisseure hätten längst die Nerven verloren. James Cameron, selbst begeisterter Freitaucher, blieb trotz steigender Kosten ruhig. Mehr noch: Statt zurückzukrebsen kündigte der Kanadier an, nach «Avatar 2» gleich drei weitere Sequels abliefern zu wollen.
Der Mann besitzt ein gesundes Selbstbewusstsein, das wohl darin gründet, bisher nur gute Erfahrungen mit Fortsetzungen gemacht zu haben: Sowohl «Terminator 2» als auch «Alien 2» toppten ihre Vorgänger, obwohl diese zuvor Meilensteine gesetzt hatten.
Alte Bekannte, frisches Blut
So elegant wie diese Genre-Giganten beginnt «Avatar: Way of the Water» nicht. Zu Beginn führt der Film auf recht ruppige Art die sechsköpfige Familie Sully ein, die Jake (Sam Worthington) und Neytiri (Zoe Saldaña) in den Wäldern Pandoras gegründet haben.
Interessant wird die Geschichte aber erst, als die Sullys zur Flucht gezwungen werden. Sie bitten um Asyl beim Metkayina-Clan, der am und im Meer zu leben pflegt. Gemeinsam mit der Familie taucht das Publikum vom Kinosessel in eine Unterwasserwelt ab, deren Schönheit sprachlos macht.
Als wichtigste neue Figur sticht dabei ein blauer Teenager ins Auge: Adoptivtochter Kiri, die trotz zartem Alter unverkennbar Sigourney Weavers Gesichtszüge trägt. Für die 73-Jährige widerspiegelt der Film noch mehr als «The Abyss» oder «Titanic» Camerons Passion für das nasse Element: «Er sagt oft, dass er nur Filme drehe, um Gründe für neue Unterwasser-Ausflüge zu finden. James hat all seine Liebe für die Ozeanwelt in diesen Film gesteckt – sowie sein ganzes Wissen um deren Verletzlichkeit mit all ihren Geschöpfen.»
Überwältigungskino vom Feinsten
Entscheidend für den Sog, den Camerons jüngste 3D-Aufnahmen ausüben, ist das sogenannte «Underwater Motion Capturing». 18 Monate lang filmte die technisch hochgerüstete Crew ab September 2017 das Schauspiel-Ensemble in einem riesigen Wassertank. Das Ergebnis dieses Kraftakts sind hypnotische Bilder, die fast schon hyperreal wirken.
Wer Lust dazu hat, sich im Kino visuell und emotional überwältigen zu lassen, sollte sich also Zeit für dieses Leinwandspektakel nehmen. Denn die braucht es: «Avatar: The Way of Water» dauert nicht weniger als 3 Stunden und 12 Minuten. Mehr lässt sich dazu kaum sagen. Denn der Rest ist Staunen.
Kinostart: 14.12.2022