«Becoming Animal» ist ein Gesamtkunstwerk: ein Essayfilm, eine Bild- und Toncollage, ein Philosophieseminar, ein humoristischer Film über das Filmemachen. Alles zusammen.
Ein Film, schwierig in Worte zu fassen
Das Szenario: Ein Filmteam bestehend aus der schottischen Regisseurin Emma Davie, dem schweizerisch-kanadischen Filmemacher Peter Mettler – der auch die Kamera führt – und Ton- und Soundmann Jacques Kieffer fahren mit dem Naturphilosophen David Abrams in eine möglichst intakte Natur.
Das Filmteam filmt, David Abrams spricht über unser Verhältnis zur Natur. Das ist eine kurze Beschreibung, die das Wesen dieses Films aber gar nicht trifft. Denn noch selten hat ein zweidimensionaler Film es geschafft, das Kinopublikum so nah an ein echtes Naturerlebnis zu führen. «Becoming Animal», das heisst «zum Tier werden» oder auch «tierisch werden».
Im Kino und in der Natur zugleich
Man sieht den Elch grasen, hört ihn schnaufen und meint, seine Wärme zu spüren. Man sieht die Pappeln im Wind, hört das Laub rascheln und glaubt zugleich, die kühle Luft zu fühlen.
Das ist ein wunderbares Kinoerlebnis – ein Kinoerlebnis, das sogar die Naturwahrnehmung schärft.
Abstrakte Philosophie
Peter Mettler erklärt, wie er sich zusammen mit Emma Davie aufgemacht hat, eine sehr abstrakte Philosophie ins Kino zu überführen.
Die Ausgangsidee sei gewesen, dass die Welt grösser sei als nur die der menschlichen Spezies. Es geht also darum, aufzuzeigen, dass wir Menschen eben nicht getrennt vom Rest der Welt sind, sonder dass wir die Verbindung verloren haben.
Der Ton fehlte
Der Film selber war zunächst ein Experiment: Zusammen mit David Abrams Emma Davies reiste Mettler in den Grand-Teton-Nationalpark im Norden der USA. Dort haben sie einige Wochen verbracht, gesprochen, improvisiert, etwas gefilmt. Und ausprobiert, ob tatsächlich auf diese Weise ein Film entstehen kann.
Entstanden ist «Becoming Animal»: nicht nur ein Film über Natur und über den Menschen, sondern auch über die Möglichkeiten des Kinos.
Chaotisches Klangwesen
Ton ist ein wichtiger Teil unserer Wahrnehmung – speziell beim Film. «Es ist oft der Ton, der eine Filmszene trägt. Auch wenn die Leute sagen: ‹Oh, dieses Bild ist schön›, ist es der Ton, der Spannung kreiert und Reaktionen auf die Bilder hervorruft», erklärt Mettler.
In einem Film, in dem es um Natur geht und in dem über die Sinne gesprochen wird, sei der Ton natürlich noch wichtiger: um die Feinheiten, aber auch das chaotische Wesen vom Klang der Natur einzufangen.
Man sieht fast nichts
So hört man minutenlang das Plätschern und Rauschen eines Baches. Und sehr eindrücklich ist in dunkler Nacht – auf der Leinwand sieht man fast gar nichts – das Röhren der männlichen Rothirsche, das vom tiefsten Bass bis in die höchsten Obertöne reicht.
In diesem nächtlichen Röhren der Rothirsche sieht der Naturphilosoph David Abrams eine Urszene allen menschlichen Musizierens.
Ein Teil des «grossen Ganzen»
«Becoming Animal» ist ein Film, der nicht nur über Wahrnehmung reflektiert. Er fordert auch die Wahrnehmung des Kinopublikums. Und er fordert auch eine Veränderung dieser Wahrnehmung.
Peter Mettler wünscht sich, dass dieser Film aufzeigt, dass wir Menschen trotz aller Technologien – und gerade auch trotz Bild- und Tonmedien – nie vergessen, dass wir ein Teil des «grossen Ganzen» sind.
Oder wie der Philosoph und Protagonist David Abrams sagt: Teil der «grösser-als-menschlichen» Welt.
Kinostart: 25.10.2018