«Bullet Train» ist die sinnloseste und gleichzeitig unterhaltsamste Leinwandprügelei seit einiger Zeit.
Es sei die lustigste Rolle seiner Karriere, sagte Hollywood-Star Brad Pitt über seine Rolle des Ladybug (deutsch: Marienkäfer), einem deprimierten Killer mit Fischermütze.
Absurd, brutal, witzig und voller intelligenter Kampfszenen: das ist «Bullet Train». Und ein gutes Beispiel, wie originell heutiges Actionkino sein kann.
Regisseur ist der 46-jährige US-Amerikaner David Leitch. Er war früher Stuntman und wurde bekannt für seine Regiearbeit an Blockbustern wie «Deadpool 2», «Atomic Blonde» und «Hobbs & Shaw». Er gehört zu denen, die den Actionfilm der vergangenen Jahre massgeblich mitgeprägt und modernisiert haben.
Seine Wurzel liegen im Hongkong-Kino. Durch einen Job als Stuntdouble für Actionstar Jean-Claude Van Damme lernte Leitch Filmlegende Ringo Lam kennen. «Eine Filmschule auf Steroiden» nannte er die Zeit mit dem chinesischen Regisseur.
Alles ging los mit Keanu Reeves
Sein Durchbruch kam 2014 mit Keanu Reeves Comeback-Film «John Wick», den Leitch mit seinem Kollegen Chad Stahelski inszenierte. Aus rechtlichen Gründen wurde er aber im Abspann nicht genannt.
Es ist ein Film über einen Berufskiller im Ruhestand, der wieder aktiv wird, nachdem sein Hund getötet wird. Eine typische Leitch-Story, die so albern klingt, dass man sich fragt, was der Drehbuchautor eingeworfen hatte, als er die Idee hatte.
Die Story von «Bullet Train» ist ähnlich comichaft überzogen. Der vom Pech verfolgte Killer Ladybug (Brad Pitt) kommt frisch aus der Therapie. Er sucht Frieden, weshalb er sich weigert, eine Pistole zu tragen. In seinem Berufsfeld ist das eher keine gute Idee. Zumal er in einem Hochgeschwindigkeitszug von Tokio nach Kyoto reist, der voller Killer und Killerinnen ist, die hinter einem Aktenkoffer her sind.
Actionheldinnen auf dem Vormarsch
Moderne Actionfilme wie «Bullet Train» zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich über sich selber lustig machen. Muskelbepackt sind die Helden oft noch, aber anders als in den Scharmützeln der 1980er und 1990er-Jahre nicht mehr eiskalt und fehlerlos. Die einstigen Machos sind zu Lachnummern geworden.
Wobei Actionfilme sowieso kein Männer-Genre mehr sind, sondern von Frauen wie Charlize Theron («Atomic Blonde») erobert wurden. In «Bullet Train» spielen die Schauspielerinnen Joey King («The Conjuring») und Zazie Beetz («The Joker») Brad Pitts Gegnerinnen.
Alles handgemacht
In «Bullet Train» sieht man, was Leitch bei Actionsequenzen wichtig ist. Sie leben nicht von einer unruhigen Kamera und schnellen Schnitten, sondern von der Choreografie. Die Auseinandersetzungen wirken realistisch, einfach und nachvollziehbar. Er verzichtet – wenn möglich – auf Computereffekte.
Eine Szene in «Bullet Train» fasst David Leitchs Actionkino gut zusammen: ein Faustkampf zwischen Ladybug und einem anderen Killer in einem leeren Zugwaggon. Plötzlich erscheint eine Bahnangestellte mit der Minibar. Die Killer unterbrechen.
Ladybug kauft ein Wasser mit Kohlensäure, stellt fest, dass er kein Geld hat und bittet seinen Gegner ihm auszuhelfen. Was dieser auch genervt tut.
Die Bahnangestellte geht weiter. Ladybug fragt den Gegner, ob sie den Konflikt auch ohne Gewalt lösen könnten. Der verneint jedoch. Ladybug trinkt einen Schluck und wirft seinem Gegenüber die halbvolle Flasche an den Kopf. Der Kampf geht weiter.
Typisch David Leitch: überraschen, Gewalt ins Komische ziehen und die Machoattitüden der Actionklassiker veralbern. Wer so etwas mag: ab ins Kino.
Kinostart: 04.08.2022