Die Tragikomödie über Delia, ihren Mann Ivano und ihre drei Kinder, die sich kurz nach dem Krieg in Rom knapp über Wasser halten, zielt nicht nur mitten ins Herz, sondern knallt erstmal voll auf die Wange. Als nämlich Delia ihrem Mann nach dem Aufwachen ein verschlafenes «Buon giorno, Ivano» zumurmelt, antwortet der mit einer klatschenden Ohrfeige.
Statt sich darüber aufzuregen oder auch nur zu wundern, bürstet sich Delia noch im Bett die Haare, steht auf, zieht sich an, legt eine Schürze um, öffnet die Fenster, wischt Staub – alles untermalt von einem heiteren italienischen Frühlingslied.
Die Regisseurin Paola Cortellesi, legt mit «C'è ancora domani» den Finger auf eine Wunde: Häusliche Gewalt an Frauen ist in Italien ein grosses Thema, im Land sind die Femizide in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen.
Das Lachen bleibt im Hals stecken
Dieses Thema spricht nicht unbedingt für einen Kinohit. Aber Cortellesi, Schauspielerin und Komödiantin, die selbst in die Rolle von Delia geschlüpft ist, hat höchst erfolgreich das gleiche Rezept angewandt, wie auch schon Roberto Benigni mit «La vita è bella»: eine supersympathische Heldin, Empathie und viel «comic relief».
«C’è ancora domani» ist in nostalgischem schwarzweiss gedreht und erinnert auch in Machart und Ausstattung an die Komödien der 40er-Jahre. Das Lachen bleibt aber immer wieder im Hals stecken: Delia bekommt nicht nur eine kleine Ohrfeige zum Aufwachen, sie wird regelmässig von ihrem Mann grün und blau geschlagen, die Anlässe sind nichtig.
Die Geschichte von Delia erzählt von der Unterdrückung der Frauen – vordergründig in der Zeit direkt nach dem Krieg. Doch der Film lässt das Publikum nicht in einer wohligen Sicherheit zurück, dass das heute kein Problem mehr sei. Er schafft Aktualität durch Anklänge an die heutige Zeit – vor allem durch die unterschiedlichen Musikstücke aus allen Jahrzehnten und aus der Gegenwart.
Delia findet derweil bei kleinen Arbeiten ausser Haus, mit denen sie die Haushaltskasse aufbessert, kleine Momente der Freiheit. Sie trifft ihre Freundin auf dem Markt, sieht bei der Autowerkstatt täglich ihre Jugendliebe und lernt einen amerikanischen Soldaten kennen, der ihr Schokolade schenkt – was zu Hause wiederum zu weiteren Schlägen führt.
«C'è ancora domani» lässt die Männer klein aussehen
Eines Tages bringt die Hauswartin die Post: nicht für den Mann, sondern für Delia. Der unerwartete Brief zaubert ihr ein Lächeln ins Gesicht, sie versteckt ihn sorgsam. Wer der Absender ist und was darin steht, erfährt das Publikum erstmal nicht. Aber dieser Brief wird – zusammen mit der Verlobung der Tochter – für Delia Anstoss zu einer Veränderung sein.
Das Schreckliche existiert in «C’è ancora domani», aber das Komische funktioniert wie ein Trostpflaster. Cortellesi zieht die frauenverachtenden, prügelnden Männer ins Lächerliche, macht sie klein. Die Gewalt zeigt sie nur indirekt – als grotesken Tanz verfremdet oder widerspiegelt nur in den Gesichtern der Frauen im Hof, die alles hören können.
Am Ende der Kinovorstellung wird man mit Delia gelacht und geweint haben – und sich über die überraschende und grandiose Schlusspointe freuen.
Kinostart am 4.4.2024