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Filmkritik zu «C’è ancora domani»
Aus Kultur-Aktualität vom 04.04.2024. Bild: MFD Morandini Film Distribution
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 54 Sekunden.

Neu im Kino «C’è ancora domani» nimmt es mit «Barbie» und «Oppenheimer» auf

In Italien setzte sich «C’è ancora domani» auf die Liste der meistgesehenen Kinofilme und machte dabei Hollywood-Blockbustern Konkurrenz. Nun will die Tragikomödie auch die Schweizer Kinosäle erobern – und die Chancen stehen gut.

Die Tragikomödie über Delia, ihren Mann Ivano und ihre drei Kinder, die sich kurz nach dem Krieg in Rom knapp über Wasser halten, zielt nicht nur mitten ins Herz, sondern knallt erstmal voll auf die Wange. Als nämlich Delia ihrem Mann nach dem Aufwachen ein verschlafenes «Buon giorno, Ivano» zumurmelt, antwortet der mit einer klatschenden Ohrfeige.

Ein Mann (rechts vorne) und eine Frau (links hinten), beide schauen betrübt.
Legende: Gewalt im eigenen Zuhause: der Film «C'è ancora domani» bringt das unliebsame Thema der Unterdrückung der Frauen auf die Leinwand. MFD Morandini Film Distribution

Statt sich darüber aufzuregen oder auch nur zu wundern, bürstet sich Delia noch im Bett die Haare, steht auf, zieht sich an, legt eine Schürze um, öffnet die Fenster, wischt Staub – alles untermalt von einem heiteren italienischen Frühlingslied.

Die Regisseurin Paola Cortellesi, legt mit «C'è ancora domani» den Finger auf eine Wunde: Häusliche Gewalt an Frauen ist in Italien ein grosses Thema, im Land sind die Femizide in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen.

Das Lachen bleibt im Hals stecken

Dieses Thema spricht nicht unbedingt für einen Kinohit. Aber Cortellesi, Schauspielerin und Komödiantin, die selbst in die Rolle von Delia geschlüpft ist, hat höchst erfolgreich das gleiche Rezept angewandt, wie auch schon Roberto Benigni mit «La vita è bella»: eine supersympathische Heldin, Empathie und viel «comic relief».

Was ist «Comic relief»?

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«Comic relief» (Englisch für «komische Entlastung», «befreiende Komik») ist ein Stilmittel. Es wird in Literatur und Film angewandt. Ähnlich wie der Galgenhumor bezeichnet das Stilmittel den Einbezug humorvoller Figuren, Szenen oder Dialoge in ansonsten ernsthafte oder spannende Szenen.

«C’è ancora domani» ist in nostalgischem schwarzweiss gedreht und erinnert auch in Machart und Ausstattung an die Komödien der 40er-Jahre. Das Lachen bleibt aber immer wieder im Hals stecken: Delia bekommt nicht nur eine kleine Ohrfeige zum Aufwachen, sie wird regelmässig von ihrem Mann grün und blau geschlagen, die Anlässe sind nichtig.

Filmdreh: Eine Frau in der Mitte, rechts Kameramann mit Kamera. Links im Bild auch eine Kamera.
Legende: Regisseurin und Schauspielerin zugleich: Paola Cortellesi gibt dem Kameramann Anweisungen zur Szene. MFD Morandini Film Distribution

Die Geschichte von Delia erzählt von der Unterdrückung der Frauen – vordergründig in der Zeit direkt nach dem Krieg. Doch der Film lässt das Publikum nicht in einer wohligen Sicherheit zurück, dass das heute kein Problem mehr sei. Er schafft Aktualität durch Anklänge an die heutige Zeit – vor allem durch die unterschiedlichen Musikstücke aus allen Jahrzehnten und aus der Gegenwart.

Eine Marktszene mit mehreren Menschen. Im Fokus eine junge Frau mit dunklem Kleid und Jacke, in der Hand eine Tasche.
Legende: Verschnaufpause: Delia (Paola Cortellesi) geht auf den Markt, um sich für einen Moment frei zu fühlen. MFD Morandini Film Distribution

Delia findet derweil bei kleinen Arbeiten ausser Haus, mit denen sie die Haushaltskasse aufbessert, kleine Momente der Freiheit. Sie trifft ihre Freundin auf dem Markt, sieht bei der Autowerkstatt täglich ihre Jugendliebe und lernt einen amerikanischen Soldaten kennen, der ihr Schokolade schenkt – was zu Hause wiederum zu weiteren Schlägen führt.

«C'è ancora domani» lässt die Männer klein aussehen

Eines Tages bringt die Hauswartin die Post: nicht für den Mann, sondern für Delia. Der unerwartete Brief zaubert ihr ein Lächeln ins Gesicht, sie versteckt ihn sorgsam. Wer der Absender ist und was darin steht, erfährt das Publikum erstmal nicht. Aber dieser Brief wird – zusammen mit der Verlobung der Tochter – für Delia Anstoss zu einer Veränderung sein.

Das Schreckliche existiert in «C’è ancora domani», aber das Komische funktioniert wie ein Trostpflaster. Cortellesi zieht die frauenverachtenden, prügelnden Männer ins Lächerliche, macht sie klein. Die Gewalt zeigt sie nur indirekt – als grotesken Tanz verfremdet oder widerspiegelt nur in den Gesichtern der Frauen im Hof, die alles hören können.

Am Ende der Kinovorstellung wird man mit Delia gelacht und geweint haben – und sich über die überraschende und grandiose Schlusspointe freuen.

Kinostart am 4.4.2024

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Radio SRF 2 Kultur, 04.04.2024, 07:50 Uhr.

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