1994 in Havanna, Kuba: Die Sowjetunion, Kubas grosser kommunistischer Bruder, existiert nicht mehr. Die Hilfe aus dem Osten fehlt. Zumal die USA ihr Wirtschaftsembargo verschärft haben. Der Inselstaat leidet an Hunger und Armut.
Mittendrin: Candelaria und Victor Hugo. Das kinderlose, ältere Paar in seinen 70ern versucht, sich mit Arbeit über Wasser zu halten. Eines Tages findet Cande, wie ihr Mann sie nennt, zwischen den Laken im Waschsalon eine Videokamera.
Das Paar fängt an, sich aus Jux gegenseitig zu filmen. Der Blick durch die Linse belebt ihre Liebe neu. Eines Tages kommt durch Zufall ein Hehler an die Aufnahmen. Dieser bietet Cande und Victor an, ihre Videos für gutes Geld an Touristen zu verkaufen. Zögerlich gehen sie darauf ein. Obwohl sie wissen, dass nicht die Finanzen die schönste Nebensache der Welt sind.
Das romantischste Zitat
Um sich ein Fahrrad leisten zu können, hat sich Victor Hugo von seiner geliebten Uhr getrennt. Wenige Tage später baut er damit einen Unfall. So kommt er mit blutendem Kopf nach Hause.
Als Candelaria ihn sieht, ist ihr egal, dass mit dem Verlust des Fahrrads viel Geld verloren ging. Statt zu klagen, macht sie sich daran, Victor Hugo liebevoll zu verarzten. Der stoppt sie daraufhin, blickt sie einen Moment lang an und sagt: «Wann habe ich aufgehört, dich anzusehen?»
Der Regisseur
Jhonny Hendrix Hinestroza ist kein Neuling im Filmbusiness. Der 42-jährige Kolumbianer hat sich mit der Gründung des Filmfestivals «Cien Milimetros» in Cali einen Namen gemacht. Ebenfalls gegründet hat Hendrix Hinestroza die Produktionsfirma «Antorcha Films», die auf Geschichten mit lokalem Bezug spezialisiert ist.
Nach der Mitarbeit an verschiedenen erfolgreichen lateinamerikanischen Produktionen als Produzent, Regisseur und Autor ist «Candelaria» der dritte eigene Langfilm. Der erste war das von den Kritikern gefeierte Drama «Chocó», das 2012 auf der Berlinale lief.
In einem neueren Interview erklärte Hendrix Hinestroza, wieso ihn die Geschichte der älteren Dame Candelaria mit ihrer Videokamera so fasziniert hat: Weil seine eigene und einzige Art, mit der Welt zu kommunizieren, auch mit Hilfe einer Kamera geschieht.
Fakten, die man wissen sollte
Die argentinisch-kolumbianisch-kubanisch-deutsch-norwegische Koproduktion «Candelaria» feierte 2017 auf den Filmfestspielen von Venedig Premiere.
Das Drama basiert auf einer wahren Geschichte, die Regisseur Hendrix Hinestroza einst von einer Tortilla-Verkäuferin erzählt bekam. Weil die ältere Dame nicht genug Wechselgeld hatte, unterbreitete sie ihm als Gegenleistung ihre eigene Liebesgeschichte.
Die Rolle von Candelarias Mann Victor Hugo sollte ursprünglich ein anderer Mime spielen. Leider starb dieser 20 Tage vor Drehbeginn, weshalb unter Zeitdruck neue Castings organisiert wurden. So kam Hauptdarsteller Alden Knight zu seiner Rolle.
Das Urteil
Regisseur Hendrix Hinestroza konzentriert sich ganz auf seine beiden charismatischen Hauptfiguren, die gefühlte 90 Prozent des Films zu tragen haben. Das schafft Intimität, aber auch eine gewisse Leere.
In den Szenen passiert nie viel im Hintergrund. Dabei würde das Schicksal anderer Kubaner in der Krise zwischendurch auch interessieren. So wirkt die nur lose ins Land eingebettete Geschichte bisweilen fast schon etwas surreal.
Trotzdem werden sich gerade ältere Zuschauer, die womöglich mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, gut mit dem Paar identifizieren können.
Schliesslich kreist der Film um universelle Themen, die uns früher oder später alle beschäftigen: Sexualität und Liebe im Alter, Krankheit, sowie die Frage, wie man seine letzten Lebensjahre bestreiten will.
Kinostart: 5.7.2018