«Ich finde Schulen traurig und beklemmend», sagt Schauspielerin Leonie Benesch im Interview. «Ins Klassenzimmer zu kommen, löst bei mir immer das Gefühl aus: ‹Jetzt hänge ich hier stundenlang fest und kann nur aus dem Fenster schauen.›»
Ihre Hauptfigur im deutschen Drama «Das Lehrerzimmer» sieht das ganz anders. Zumindest zu Beginn des Films.
Lehrerin mit Leib und Seele
Die junge Lehrerin Carla Nowak, die Leonie Benesch verkörpert, unterrichtet Mathematik und Sport. Sie geht auf jedes Kind ein, ermutigt und ist fair, lässt Freiräume und hat Vertrauen in ihre jungen Schützlinge. Eine engagierte Lehrperson durch und durch.
Für ihren Elan und ihre Korrektheit wird sie von den älteren Kolleginnen und Kollegen im Lehrerzimmer oft etwas schräg angeschaut. Das ist ihr egal – bis einer ihrer Schüler mit Migrationshintergrund des Diebstahls verdächtigt wird.
Selbstjustiz geht schief
Um seine Unschuld zu beweisen, macht sich Carla selbst auf die Suche nach der Täterin oder dem Täter. Und glaubt schon bald, Beweise gegen jemanden aus dem Kollegium in der Hand zu haben.
Was als gutgemeinte Suche nach der Wahrheit begann, läuft schnell aus dem Ruder. Denn die beschuldigte Person streitet die Diebstahlreihe ab.
Carla muss sich mit ihrer aufgebrachten Klasse, wütenden Eltern und gekränkten Kolleginnen und Kollegen herumschlagen. Und mit der Frage, ob sie tatsächlich jemanden zu Unrecht beschuldigt.
Nebst den erfahrenen Schauspielerinnen und Schauspielern spielen die Kinderdarstellerinnen und -darsteller wichtige Rollen. Die Arbeit mit den 11- bis 14-Jährigen sei eine schöne Erfahrung gewesen, sagt Regisseur İlker Çatak.
«Das waren tolle Kinder, so klug und charakterstark», erzählt er. «Es war wunderbar, in die Gedankenwelt dieser jungen Menschen abzutauchen.»
Gerechtigkeit, Fake News, Cancel Culture
Für den Regisseur sei schnell klar gewesen, dass eine Schule das richtige Setting für seinen Film sei. Er habe eine Geschichte über die heutige Debattenkultur erzählen wollen. «Über die Suche nach Gerechtigkeit und Wahrheit. Über die Verdrehung von Wahrheit, Fake News, Cancel Culture.»
İlker Çatak sieht die Schule als Modell für die Gesellschaft. «Es gibt Hierarchien, die denen in einem Staat ähneln», sagt er. «Ein Oberhaupt, hier die Rektorin. Menschen mit Macht, also die Lehrpersonen. Das Volk, in einer Schule sind das die Schülerinnen und Schüler.»
Was im Lehrerzimmer passiert
Doch man muss den Film gar nicht als grossen Gesellschaftskommentar anschauen. Er funktioniert auch im Kleinen gut. Gerade der Schauplatz der Schule, ein Umfeld, dass jeder und jedem bekannt ist und bei allen Emotionen auslöst, macht das Drama noch spannender.
Oder, wie es der Produzent des Films im Presseheft sagt: «Es ist verlockend, einen Film mit dem Titel ‹Das Lehrerzimmer› zu schauen, weil die meisten von uns noch nie in einem Lehrerzimmer waren und sich oft gefragt haben, was da eigentlich passiert.»
Die Antwort des Films: Zickereien, Lästereien und Mobbing. Nicht viel anders als auf dem Pausenplatz also.
Kinostart 11. Mai 2023