Als Anton Ebnöther 1949 in Bülach seine zweite Stelle als Vikar antritt, hat er sich mit seinen Frauengeschichten bereits einen Ruf eingehandelt. Er hoffe, «dass Sie von Bülach nicht Dinge hören müssen, die Sie von St. Moritz hören mussten», schreibt er in einem Brief an den damaligen Bischof Caminada.
«Hochwürdigster Gnädigster Herr, in St. Moritz werde ich in Ruhe verschwinden und alle ‹Abschiedsszenen› nach Möglichkeit vermeiden», so der Vikar weiter.
Zwei Jahre später wird Lisbeth Binder geboren. Ihre Mutter Antonia Müller ist Pfarrköchin in Bülach und wird vom Vikar sexuell missbraucht.
Im Dokufilm «Unser Vater» erinnert sich die hochbetagte Frau an den Vorfall: «Er kam in der Nacht, und ich konnte mich nicht wehren. Er hat mich genommen, erdrückt und weggeworfen.» 1952 und 1953 kommen zwei weitere Kinder zur Welt, aus einer Affäre Ebnöthers mit einer verheirateten Frau.
Vikar und Chorleiter Anton Ebnöther gilt als attraktiv, einnehmend und leutselig. Doch sein Umgang mit Frauen sorgt auch in Bülach für Gerede. 1953 rechtfertigt er sich in einem Brief an den Bischof. Die Vaterschaften erwähnt er mit keinem Wort, dafür Affären mit anderen Frauen:
«Leider ist was vorgefallen, ja. Doch, lieber gnädiger Herr, ich kann Sie versichern, dass mit jenem Fräulein in Zürich jegliche Beziehungen gebrochen und sogar der letzte Rest von Sympathie erstorben ist. Und ein anderes Fräulein aus Österreich, die für mich hätte eine Gefahr werden können, ist bereits im Juni wieder nach Hause gezogen.»
Der damalige Bischof gibt ihm noch eine Chance, wie eine handschriftliche Aktennotiz zeigt: «Vikar Ebnöther bleibt auf Wohlverhalten hin noch in Bülach. Pfarrer Basler weiss um seine Schwächen.»
Wie viel wusste der Bischof?
Der heutige Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain entschuldigt sich im Dokufilm offiziell bei den sechs Kindern. In den Akten des Bistums sei nirgendwo von Kindern die Rede, sagt er: «Ich kann weder bejahen noch verneinen, dass der damalige Bischof etwas davon wusste. Sicher war der Bischof sich bewusst, dass er sich nicht richtig verhält.» Mehr sei in den Akten nicht vorhanden.
Ob der Bischof mündlich von den Kindern erfahren habe, könne er jedoch nicht ausschliessen, so Bonnemain. Filmregisseur Miklós Gimes meint dazu, dass man damals ganz heikle Themen nicht aufgeschrieben habe, «wie zum Beispiel, wenn ein Pfarrer ein Kind hat. Das besprach man damals mündlich, zwischen dem Vorgesetzten und dem Bischof oder den Betroffenen.»
Die Scham war lang zu gross
1958 befindet sich Ebnöther nach einem Unfall zur Reha in Klosters (GR). Dort missbraucht und schwängert der katholische Geistliche eine 21-jährige Frau, die Kommissionen ins Pfarrhaus bringt.
«Er sagte: ‹Komm ein bisschen ins Bett, da haben wir wärmer›», erinnert sich Rita Schuler im Film. «Es war nicht warm. Dann habe ich mich halt zu ihm hingelegt, und er hat das gemacht.» Sie habe gar nicht verstanden, was er tat. Danach habe sie jedoch gemerkt, dass es wehtat.
Kurz danach kauft sich Ebnöther eine Pension im Prättigau, wird Wirt – und aus einer weiteren Beziehung noch zweimal Vater. Die meisten seiner Kinder erfahren erst spät, dass sie die Kinder eines katholischen Geistlichen sind. Die Scham ihrer Mütter war dazu lange Zeit zu gross.
Kinostart «Unser Vater»: 6.4.2023.