Der französische Schauspiel-Star Vincent Lindon tut es nicht zum ersten Mal: Bereits im Spielfilm «La loi du marché» (2015) des gleichen Regisseurs Stéphane Brizé war er der einzige professionelle Filmdarsteller des ganzen Ensembles.
Schon in diesem Film war die Problematik sozialer Natur: Lindon spielte einen Maschinisten, der mit über 50 Jahren seinen Job verlor.
Diesmal spielt Vincent Lindon einen aufmüpfigen Gewerkschafter, der sich mit allen Mitteln gegen die kapitalistische Logik wehrt, dass eine Fabrik in Südfrankreich trotz zweistelligem Millionengewinn geschlossen werden soll, weil der deutsche Mutterkonzern sie als zu wenig rentabel erachtet.
Und wieder ist Lindon auf seine übliche kraftvolle Art präsent, umgeben von lauter Laien.
Laien, aber Profis
«Die anderen mögen Laien vor der Kamera sein, aber sie sind Profis in den Berufen, die sie im Film ausüben», verrät Stéphane Brizé im Interview. Tatsächlich kennen die Menschen vor der Kamera die nachgestellten Situationen aus eigener Erfahrung, wenn nicht gar aus ihrem Alltag.
Die Idee dahinter ist klar: Der Kampf zwischen Gewerkschaften und Firmenanwälten soll dokumentarisch wirken, weil auf beiden Seiten Menschen mit praktischer Lebenserfahrung agieren.
«Das heisst nun aber nicht, dass wir die entsprechenden Situationen improvisiert hätten», präzisiert Brizé.
«Für die Verhandlungsszenen gab es klare Angaben, wer wann was sagt – für Vincent, und für alle anderen auch. Trotzdem habe ich ihnen jeweils die Möglichkeit gelassen, sich frei auszudrücken – es ist ja schliesslich kein Shakespeare.»
Viel Crescendo
In der Tat gelingt Brizé das Kunststück, dass man beim Zuschauen vergisst, dass diese Menschen – bis eben auf Lindon – keine Schauspielerfahrung mitbringen. Das vehemente Aufbrausen in den zahlreichen Streitgesprächen ist jeweils sorgsam durchkomponiert.
Vor allem aber wird das Spannungsgefüge immer dichter. Der vorerst überschaubare Konflikt zwischen Arbeiterschaft und Konzerndirektion wird umgehend komplexer. Der kompromisslose Verhandlungskurs von Lindons Figur ist bald auch innerhalb seiner Gefolgschaft umstritten.
Zu stark auf den Mann gespielt
Die aufreibenden verbalen Gefechte werden begleitet von dramatischen Massenszenen auf der Strasse und in der Lobby des Firmensitzes, in denen die gebeutelten Arbeitskräfte lauthals protestieren und gar randalieren.
Brizé gelingt es mit dieser Mixtur hervorragend, das Publikum zu berühren und gleichzeitig die komplexen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge zu erfassen, die er abbilden will.
Störend wirkt an «En guerre» allenfalls, dass Vincent Lindons Figur – bis zu den letzten Einstellungen des Films – geradezu heldenhaft als unbeugsamer Gerechtigkeitskämpfer in Szene gesetzt wird.
Seine Figur wäre auch ohne ikonischen Beigeschmack immer noch charismatisch genug gewesen. Man hätte sie daher durchaus ambivalenter gestalten können.
Kinostart: 01.05.2019