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Filmkritik «Liquid Truth»
Aus Kultur-Aktualität vom 21.11.2018. Bild: trigon film
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 2 Sekunden.

Neu im Kino Ein Schwimmlehrer im trüben Wasser der sozialen Medien

Beklemmend aktuell: Das brasilianische Filmdrama «Liquid Truth» erzählt, wie Facebook und WhatsApp den Verdacht auf einen sexuellen Übergriff in eine Hexenjagd verwandeln.

Der 33-jährige Schwimmlehrer Rubens (Daniel de Oliveira) hat einen seiner Schüler während des Unterrichts auf die Wange geküsst – angeblich zum Trost. Das sechsjährige Scheidungskind, das in Tränen ausgebrochen sei, habe ihm leidgetan, wird Rubens seiner Chefin erzählen.

Diese will ihrem charmanten Angestellten gerne glauben. Doch die Sache liegt längst nicht mehr in ihrem Ermessen.

Kuss ohne Kamera

Die Mutter des Jungen vermutet einen sexuellen Übergriff. Sie startet einen Aufruf im Elternchat, um die Schwimmschule zur Verantwortung zu ziehen.

Ein junger Mann in Badehose geht am Schwimmbecken entlang, seine Hand berührt einen Jungen in Badehose am nackten Rücken.
Legende: Schwimmlehrer Rubens soll einen seiner Schüler missbraucht haben. trigon film

Der Vater schaltet die Polizei ein. Ein eifersüchtiger Arbeitskollege schwärzt den Schwimmlehrer an.

Dabei wirkt Rubens durchwegs aufrichtig, wenn er seine Unschuld beteuert. Allerdings macht es uns Regisseurin Carolina Jabor nicht leicht, ihm zu glauben.

Zufall oder nicht?

Dass der Kuss just in dem Teil der Badeanstalt stattfand, der nicht videoüberwacht ist, mag ein unglücklicher Zufall sein. Aber wie kommt die Badehose des Jungen in Rubens' Spind?

Ein Mann. Im Hintergrund ein Junge in Badehose.
Legende: Auch der Vater des Jungen ist in das Geschehen involviert. Trigon Film

Gegen den Verdacht spricht die Tatsache, dass Rubens eine Freundin hat. Aber sie ist erst 19 Jahre alt und eine ehemalige Schülerin. Noch ein Zufall?

In der Schwebe

«Liquid Truth» hält den Zweifel an der Redlichkeit seiner Figuren gekonnt in der Schwebe. Auch die übrigen Protagonisten stehen im Zwielicht: Die Mutter des angeblichen Missbrauchsopfers schürt den medialen Hass auf den Schwimmlehrer mit verbissener Selbstgerechtigkeit.

Ein Mann mit nacktem Oberkörper spiegelt sich an einem Spiegel.
Legende: Die Anschuldigungen gegen Rubens werden durch moderne Kommunikationsmittel verbreitet und beschleunigt. Trigon Film

Der abwesende Vater will seine Männlichkeit rehabilitieren, indem er einen Schuldigen findet. Und Rubens’ Chefin sorgt sich mehr um den Ruf ihrer Schule als um das Wohl der Kinder.

Im digitalen Echoraum

Anders als in Thomas Vinterbergs thematisch ähnlichen Drama «Die Jagd» bleibt der Beweis für Rubens’ Schuld oder Unschuld aus. Sein Wort steht gegen das des Kindes, das behauptet, der Lehrer habe ihn auf den Mund geküsst.

Doch die von der Mutter lancierte Vorverurteilung auf Facebook und WhatsApp ist gnadenlos. Im digitalen Echoraum der sozialen Medien wird die Anschuldigung übermächtig und wächst sich für den Schwimmlehrer zu einer existentiellen Bedrohung aus.

Video
Trailer zu «Liquid Truth»
Aus Kultur Extras vom 20.11.2018.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 45 Sekunden.

Ein offenes Ende

Die «flüssige Wahrheit», wie der englische Filmtitel übersetzt lautet, ist ein trübes Wasser. Wie jede Flüssigkeit geht auch diese tückische Wahrheit den Weg des geringsten Widerstandes – durch die weit geöffneten Schleusen der sozialen Medien.

Das macht «Liquid Truth» über seine Missbrauchsthematik hinaus beklemmend aktuell. Das Drama hat ein offenes Ende – wie das globale Experiment mit der Verbreitung von Information und Desinformation auch.

Kinostart: 22. November 2018

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