Der Junge Siggi Jepsen steht zwischen seinem Polizisten-Vater und seinem Götti, dem begabten Maler und Jugendfreund seines Vaters. Der Maler steht für die subversive Freiheit der Kunst.
Der Vater steht für die unbedingte Pflichterfüllung. Auch dann noch, als das Nazi-Regime dem Maler seine angeblich entartete Kunst verbietet und der Polizist an diesem entlegenen Ort an der Nordseeküste die Einhaltung des Verbotes zu überwachen hat.
Überwachen und Strafen
Der von Ulrich Noethen gespielte Jens Jepsen rekrutiert für die Überwachung des Malers seinen jungen Sohn. «Du wirst für mich arbeiten, und ich mach aus dir was Brauchbares.»
Siggis Dilemma – er möchte zwar seinem Vater gefallen, liebt aber auch seinen malenden Götti – ignoriert Polizist Jepsen. Als sich herausstellt, dass Siggi trotzdem heimlich zum Maler gehalten hat, verbrennt ihm sein Vater die Hand am Herd.
Und noch in den letzten Tagen des Krieges, als die Engländer schon im Anmarsch sind, will Jepsen noch eine Bürgerwehr rekrutieren – ausgerechnet am Begräbnis der Frau seines einstigen Freundes.
Veränderte Frauenfiguren
Christian Schwochow und seine Mutter Heide, die das Drehbuch geschrieben hat, reduzieren die komplexen Figuren des Romans von Siegfried Lenz auf diesen Grundkonflikt zwischen Moral und Pflichtbewusstsein.
Dabei verändert der Film vor allem die Frauenfiguren – etwa die Frau des Polizisten, Siggis Mutter, im Roman eine überzeugte Nazionalsozialistin. Bei Schwochow ist sie ohne politische Überzeugung – schmerzerfüllt, aber unbedingt loyal ihrem Mann gegenüber.
Starke Bilder, klarer Fokus
Auch der von Tobias Moretti gespielte Maler ist im Film eindeutiger gezeichnet. Die Perspektive ist konsequent jene Siggis, dessen geduldiges, therapeutisches Erinnerungs-Aufsatzschreiben in der Erziehungsanstalt wie im Roman die Rahmenhandlung bildet.
Das verhilft dem unglaublich schön fotografierten Film zu einem klaren Fokus. Es führt aber auch dazu, dass man sich über die zwei Stunden hinweg zu langweilen beginnt – zumal Christian Schwochows «Deutschstunde»-Verfilmung inszenatorisch oft altmodischer wirkt als der 50 Jahre ältere Roman.
Warnung und Widerstand
Darüber hinweg helfen allerdings – neben den wunderbaren Bildern von Dünen, Halligen, Möven und Wellen – jene unglaublich erschütternden Sätze, die auch den Roman zur weiterhin bitter nötigen Erinnerungshilfe und Geschichtslektion machen. Etwa jener des Vaters, der auch nach dem Krieg weiterhin an die unbedingte Tugend der Pflichterfüllung glaubt.
Gehorchen und funktionieren: Als Warnung vor dieser Art von Unterordnung funktioniert auch Schwochows Kinoversion der Deutschstunde ganz gut. Zum Teil sogar gerade deshalb, weil er oft zu eindeutig daherkommt – und damit Widerstand provoziert.
Kinostart: 7. November 2019