Die Protagonistin in «Baghdad in my Shadow» ist Amal (Zahraa Ghandour), eine Frau, die vor ihrem irakischen Ehemann nach London flieht. Zuflucht und Arbeit findet sie in einem Café, das vor allem von Exil-Irakern besucht wird.
Dass es für die irakische Schauspielerin ein erhebliches Risiko darstellte, diese Rolle zu übernehmen, mag überraschen. Aber Samirs Film kratzt gleich an mehreren irakischen Tabus. Es geht um die Freiheit der Frauen, um Homosexualität und um Religionsfreiheit.
Absolut realistisch
Amal ist eine starke, freie junge Frau. Sie hat im Irak Architektur studiert, man würde meinen, die Welt stehe ihr offen. Im Londoner Café Abu Nawas fühlt sie sich wohl – zumindest solange, bis sie sich in einen britischen Architekten verliebt und damit die Toleranz ihrer Landsleute strapaziert.
Plötzlich hebt sogar ihr Beschützer Taufiq (Haytham Abdulrazaq), Dichter und graue Eminenz der Exilgemeinde, eine Augenbraue und hält ihr vor, die Heimat zu verraten.
Dieses Szenario sei sehr realistisch, sagt Zahraa Ghandour. Sie kenne das aus ihrem eigenen Leben zur Genüge.
Ein Kampf im eigenen Kopf
Ghandours Familie hat den Irak nach 2003 verlassen, sie lebte in Syrien und in Beirut, bis sie sich für eine Rückkehr in die Heimat entschied, für eine Karriere als Fernsehjournalistin und Schauspielerin.
Ihre dokumentarische, sozialkritische Fernsehshow «52 Minuten» machte sie zu einer öffentlichen Person. Gegen das traditionelle Frauenbild ihrer Landsleute kämpfe sie nach wie vor, auch im eigenen Kopf, sagt Zahraa Ghandour.
«Die längste Zeit meines Lebens bin ich stark und unabhängig. Ich reise zum Beispiel gegen den Willen meiner Familie. Aber im Hinblick auf diesen Film, mit seinen zum Teil kontroversen Themen, bekam ich plötzlich Angst. Samir ist durch die Hölle gegangen, beim Versuch, mich als Schauspielerin bei der Stange zu halten.»
Immer wieder von der Angst gepackt
Immer wieder habe sie die Angst gepackt vor den möglichen Reaktionen Zuhause. Eine starke, unabhängige Frau zu spielen, in einem Film, der auch noch zwei weitere irakische Tabus aufnimmt, nämlich Homosexualität und Religionsfreiheit, das sei ziemlich riskant für Ghandour, das bestätigt auch Regisseur Samir.
Für eine eventuelle Kinoausstrahlung im Irak, oder auch nur schon einen offiziellen Filmrelease auf DVD oder via Streaming, sei es unumgänglich, einige Szenen rauszuschneiden, so der Regisseur. Die Liebesszene eines schwulen Paars muss geschnitten werden, der Kuss zwischen Amal und ihrem britischen Freund, und auch die Liebesszene der beiden.
Zahraa Ghandor sagt, sie mache sich tatsächlich Sorgen im Hinblick auf den Filmstart. «Ich will das nicht verheimlichen, es war meine Entscheidung, mitzumachen. Meine Familie wird den Film sehen, meine Freunde, die Leute, mit denen ich arbeite. Ich habe Angst davor. Aber ich bin auch bereit, nicht mehr zu lügen. Und ich bin stolz auf den Film.»
Kinostart: 28.11.2019