Diese Filmbiographie ist so überbordend wie das Leben des King of Rock'n'Roll selbst. In der Hauptrolle: Shootingstar Austin Butler als «Elvis the Pelvis» (die deutsche Übersetzung klingt etwas weniger sexy: «Elvis, das Becken»). «The Pelvis» wird seinem Übernamen in der zweieinhalbstündigen Rock-Hymne mehr als gerecht. Indem er gekonnt die Hüften kreisen und die Damen kreischen lässt.
«Die Kopfhaltung, was er mit den Händen tat – all das habe ich geübt, bis es in mein Mark überging», erzählte Austin Butler anlässlich der Weltpremiere in Cannes. Die Herkulesaufgabe habe darin bestanden, sich nicht zu versteifen. Oder wie es der 30-jährige Kalifornier ausdrückt: «Beim Dreh alles so wirken zu lassen, als geschähe es zum ersten Mal.»
Tom Hanks als Bösewicht
Butler brilliert. Vor allem, wenn man ihn mit anderen Schauspielern vergleicht, die sich schon an Elvis die Zähne ausgebissen haben: Kurt Russell, Harvey Keitel und Don Johnson wirkten alle ziemlich hüftsteif und kamen dem Charisma von Elvis nicht wirklich nah. Die beste Figur machte bisher Jonathan Rhys Meyers in einem Zweiteiler von CBS.
Zu grosser Form auflaufen kann Butler in Luhrmanns Film aber vor allem, weil er einen echten Gegenspieler hat: Colonel Parker, der als zwielichtiger Manager von Elvis in die Geschichte eingegangen ist. In anderen Verfilmungen ist dieser meist nur eine Randfigur. Hier fungiert er dagegen – ähnlich wie Salieri in Miloš Formans «Amadeus» – als Erzähler und Bösewicht in Personalunion.
Eine Rolle, die man nicht unbedingt auf Anhieb mit Tom Hanks verbinden würde. Umso begeisterter zeigte sich der zweifache Oscarpreisträger an der Pressekonferenz über den Part des hellsichtigen Schurken: «Er erkannte auf Anhieb den Effekt, den Elvis aufs Publikum ausübte. Parker machte Presley gross und nahm ihn gleichzeitig gnadenlos aus.»
Spektakel-Kino Marke Luhrmann
Ähnlich ambivalent wie Elvis’ Karriere entwickelt sich der Film in erzählerischer Hinsicht: Auf einen furiosen Start folgt der stete künstlerische Niedergang und ein höchst emotionales Ende, das für manche Durststrecke entschädigt.
In erster Linie aber kann Musik-Experte Baz Luhrmann mit seinem jüngsten Bilderbogen erneut sein Gespür für Entertainment, Rhythmus und Takt unter Beweis stellen. Selbst mit seinen gesellschaftspolitischen Untertönen zur US-Geschichte trifft er stets den richtigen Ton.
Alles in allem gilt: Wer Elvis liebt, wird auch Baz Luhrmanns Fan-Fantasie mögen. Und ganz ehrlich: Wer tut das nicht?
Kinostart: 22. Juni 2022