Gefahr im Deutschunterricht: Zum Einstieg in die Materie zeigt die Lehrperson der Schulklasse eine Literaturverfilmung. Doch dann ist der Film so hochtrabend, dass die Lust auf deutsche Klassiker endgültig versiegt.
Dieses Fiasko will «Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull» in der Fassung von 2021 partout vermeiden: Den anvisierten Draht zu einem jugendlichen Publikum merkt man dem Film an.
Die Besetzung der Hauptrollen mit den hippen Stars Jannis Niewöhner, Liv Lisa Fries und David Kross geht in diese Richtung. Tatsächlich läuft der junge Cast zur Hochform auf – nicht zuletzt, weil Thomas Manns Sprachwitz etliche Steilvorlagen anbietet.
Beinahe ein Sex-Klamauk
Die Geschichte spielt in einem mondänen Fin-de-Siècle-Hotel in Paris: Felix Krull ist Liftboy. Eigenes Geld hat er kaum, aber seine Waffen sind geladen: Charme, Erfindungsreichtum, Ehrgeiz und Wortgewandtheit. Vom Liftboy avanciert er zum Kellner, ab jetzt darf er Champagner in die Suiten bringen – und mehr noch.
Mindestens eine Dame von Welt schätzt diesen «exklusiven» Zimmerservice sehr. Krull schätzt derweil den Nebenverdienst, und gelegentliche Diebesbeute. Wobei der Regisseur Detlev Buck ein gutes Gespür dafür hat, wann die Grenze zum Sex-Klamauk überschritten ist.
Spannende Ménage à trois
Sexualität ist im Film vor allem ein Handlungsmotor. Das wahre Thema der Geschichte ist die Sehnsucht nach allem, was man vorerst nicht hat: Wohlstand, Respekt, Liebesglück. Die meisten Figuren werden getrieben von der Lust, andere Menschen um den Finger zu wickeln.
Vor allem Felix Krull verführt wortreich, er redet sich ehrgeizig um Kopf und Kragen, wenn sein Spiel aufzufliegen droht.
Spannend wird es, als sich eine Dreiecksbeziehung anbahnt: Krulls beste Freundin Zaza verdreht einem jungen, reichen Marquis den Kopf. Das ändert einiges, aber Krull wäre nicht Krull, würde er keine Pläne schmieden.
Galanter Schwindler
Das Drehbuch (Buck und Daniel Kehlmann) kürzt die Vorlage ohne Scham und schält aus Thomas Manns 400-seitigem Schelmenroman eine temporeiche Farce mit geschliffenen Dialogen und frivoler Situationskomik heraus.
Pate gestanden für diesen Fokus aufs Vergnügliche hat wohl die erste Verfilmung des Stoffes von 1957 mit Horst Buchholz: Auch die war ein kurzweiliger, übermütiger Schwank. Sie setzte in der Umsetzung des Stoffs ähnliche Prioritäten.
Natürlich kann dem Film vorwerfen, dass er die subversive Tiefe von Manns Roman nur streift: Bei Mann ist Felix Krull eine Art «Mann ohne Eigenschaften», hier ist er eher ein charmanter (Herzens-)Dieb in der Tradition von Arsène Lupin.
Aber das passt schon: Die Schulklasse, die das zu sehen bekommt, wird Thomas Mann womöglich eines Tages lesen wollen.
Kinostart: 2.9.2021