«God's Own Country» erzählt die Liebesgeschichte von Johnny und Gheorghe: Johnny ist der wortkarge Sohn einer nordenglischen Bauernfamilie, der nicht unmotiviert die Schafzucht seines kränklichen Vaters weiterführt. Gheorghe ist ein Saisonarbeiter aus Rumänien, der über den Sommer auf Johnnys Hof aushilft.
«God's Own Country»: So bezeichnen die Landleute von Yorkshire ihre Heimat. Der Autor und Regisseur Francis Lee ist selbst dort aufgewachsen. Nun hat er seinen ersten Spielfilm danach benannt.
«Der Titel drückt den Stolz der hiesigen Anwohnerschaft auf ihre Region aus», führt Francis Lee im Interview aus: «Für mich schwingt aber auch die Bedeutung mit, dass es sich um eine Art Himmel für die Figuren handeln könnte.»
Keine Postkarten-Bilder
Beim Betrachten des Films fällt auf, dass die Gegend selbst tatsächlich eine wichtige Rolle spielt. Lee streicht allerdings heraus: «Yorkshire ist in sehr vielen Filmen als breite Filmkulisse zu sehen, weil die Landschaft ein malerisches Panorama hergibt. Das wollte ich aber vermeiden. Mir war viel wichtiger, dass das Publikum das lokale Klima spürt, als wäre es vor Ort. Daher habe ich fast vollständig auf Landschaftsaufnahmen verzichtet.»
Vielmehr ist Francis Lee ein Cineast der Nähe und der Intimität: Akribisch hat er etwa seine Darsteller Josh O'Connor und Alec Secareanu bereits vor den Dreharbeiten auf ihre Rollen eingestimmt.
«Wir haben vorab gemeinsam Biografien der Charaktere entwickelt, die bis ins letzte Detail gingen. Beide Schauspieler haben den Umgang mit Schafen intensiv und sorgfältig erlernt: Was man sie im Film tun sieht, das tun sie wirklich.»
Sex am Morgen
Das gilt hingegen weniger für die nicht expliziten Sexszenen des Films: «Hierfür haben wir die Gesten und Einstellungen jeweils vorher genau durchstudiert, es gab genaue Abläufe. Ich empfehle übrigens allen, solche Szenen immer am Morgen zu filmen: Dann ist die Nervosität für den Rest des Drehtags weg.»
Umso mehr ist Lee erstaunt, welches Echo diese Szenen teilweise auslösen: «In den USA haben mich fast alle Presseleute darauf angesprochen. Als wären sie anstössig. Dabei sind sie ziemlich diskret, verglichen damit, was die breite Masse in ‹Game of Thrones› so alles zu sehen bekommt.»
Viele Frauen im Publikum
Apropos «breite Masse»: «God's Own Country» hat sich während seiner langen Festivalkarriere und nach einem ausgesprochen erfolgreichen Kinostart in Grossbritannien bereits als ein Film etabliert, der trotz der gleichgeschlechtlichen Beziehung in seinem Zentrum auch ein breites heterosexuelles Publikum anspricht. Das ist bis heute keine Selbstverständlichkeit.
«Ein Grossteil des Publikums ist weiblich», hält Francis Lee fest. «Es geht ja in dem Film auch nicht um die Grenzen von Sexualität. Sondern darum, wie man innerlich mit der Liebe hadert, bis man sie zu akzeptieren lernt.»
Mehr als Frühlingsgefühle
Mit diesen Sätzen spricht Lee insbesondere den Protagonisten Johnny an, der eingeführt wird als ein kalter, abweisender und frustierter junger Mann – zwar offen homosexuell lebend, aber nicht bindungsfähig. Er lernt im Verlauf der Geschichte, sein Herz zu öffnen: Bis er seinen Liebhaber sogar ernsthaft bittet, dauerhaft zu bleiben und mit ihm den Hof zu übernehmen.
Diese Öffnung nach aussen, diese Suche nach einer Beziehung weit über die ersten Frühlingsgefühle hinaus, dieses leise Erwachen von Treue und Verantwortungsgefühl: All das überträgt sich auf verschiedene Menschen im Publikum und macht aus «God's Own Country» einen Film, der einen auf der sinnlichen und auf der emotionalen Ebene beglückt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 16.11.17, 8.20 Uhr