«Es sind die Haare!» Robert Pilatus und Fabrice Morvan stehen vor einer Fotowand mit den grössten Stars aller Zeiten: von Marilyn Monroe bis zu den Beatles. Sie alle trugen ihre Haarpracht als Markenzeichen – dass diese Künstlerinnen und Künstler auch ziemlich begabt waren, davon ist in dieser Szene nicht die Rede.
Rob und Fab stehen also vor dieser Wand und sind überzeugt, die magische Formel für Erfolg gefunden zu haben: Haare! Und dann beginnt sie, diese haarsträubende Geschichte um einen deutschen und einen französischen Performer, die Weltruhm ernten und dennoch alles verlieren.
Spürnase für Welterfolge
Dem legendären deutschen Musikproduzenten Frank Farian (Matthias Schweighöfer) geht es nicht um hohe Kunst. Sondern um Kommerz. Vielleicht verständlich, wenn man wie er als Kind in der Nachkriegszeit auf dem Kartoffelacker arbeiten musste und froh sein konnte, einmal am Tag eine warme Suppe zu bekommen.
Aus dem armen Kind Frank wird 30 Jahre später der Superhit-Produzent Farian, der mit der Band Boney M. (und ihrem Playback-Sänger Bobby Farrell) 42 Goldene, 50 Silberne und noch einmal so viele Schallplatten in Platin abräumt.
Farrells gefakte Stimme stammte übrigens von Farian selber, der ein ganz passabler Sänger war, aber über keinerlei Starqualitäten verfügte.
Auf den Körper reduziert
Playback also hatte Farian schon einmal Glück und viel Geld gebracht. Eines aber nicht: Erfolg in den USA, Farians grösster Traum. Er sieht in diesen zwei talentierten, athletischen Tänzern – damals war Breakdance gerade das grosse Ding – mit den hüftlangen Braids das Potenzial, den Weltmarkt zu erobern. Er sollte Recht behalten. Für eine kurze Zeit.
Singen mussten sie nicht, dafür hatte Farian hervorragende Künstler engagiert. Produzent Farian meinte über die Fans von Milli Vanilli: «Die hören mit den Augen.» Rob und Fab sollten einfach tanzen und gut aussehen. Mehr Sexismus geht nicht.
Nummer eins in den USA
Milli Vanilli landen mehrere Nummer-1-Hits und schaffen das bis dahin schier Unmögliche: Sie erobern die US-Charts mit gleich mehreren Titeln. Ein Grammy im März 1990 hievt das Duo in den Pop-Olymp.
Jetzt will die ganze Welt Milli Vanilli. Nur: Wie vermarktet man eine Band, die nicht singen kann? Vollplayback für die Dauer einer ganzen Welttournee – ein unkalkulierbares technisches Risiko.
Die Bombe platzt am 21. Juli 1989 in Bristol im US-Bundesstaat Connecticut. Das Tape bleibt während einer Live-Show hängen, die Playback-Lüge fliegt auf. Wenig später gesteht Frank Farian den Schwindel öffentlich ein und nennt die Namen der wahren Sänger: Brad Howell und John Davis.
Breaking News in den USA
Wie gross die Aufregung in den USA war, zeigt eine kurze Szene im Film. Als der Playback-Schwindel auffliegt, unterbricht ein News-Sender seine Berichterstattung über den laufenden Irak-Krieg. Milli Vanilli waren Breaking News, bevor sie für immer untergingen.
«Girl You Know It’s True» ist gutes Unterhaltungskino und kann im aktuellen 1980er-Revival-Hype durchaus auch jüngeres Publikum ansprechen als nur die Boomer und die Gen-X, die den Skandal damals miterlebt hatten.
Kinostart: 21.12.2023