«Gehen Sie auf unsere Webseite, um einen neuen Termin zu vereinbaren», sagt die Stimme aus der Gegensprechanlage.
«Ich will nicht auf Ihre verdammte Webseite!», schreit Sergio Garcés zurück. Er steht vor einem riesigen Hochhaus in Buenos Aires. Vor 10 Minuten hätte seine Sitzung beim Seelenklempner begonnen.
Sergio ist um die 50 und hat seine Wutanfälle nicht unter Kontrolle. Deshalb die Therapie – verordnet von einem Gericht.
Als Statist in Spielfilmen und mit Rollen in Pornos hält er sich über Wasser. Aber am liebsten schlurft er in weissen Boxershorts durch die Wohnung. Dort zieht er sich in seinem abgewetzten Ledersessel weisses Pulver durch die Nase. Und spült mit einer Dose Bier nach.
«Initials SG» spielt 2014 während der Fussballweltmeisterschaft. Im Final traf Argentinien bekanntlich auf Deutschland.
Kurz davor herrscht im ganzen Land eine euphorische Stimmung. Als passionierter Fan der argentinischen Nationalelf hofft Sergio auf den totalen Triumph.
Doch ausgerechnet am Finaltag wird er im Fahrstuhl in eine Schlägerei verwickelt, die böse endet.
Das treffendste Zitat
Ganz zu Beginn sagt eine Stimme aus dem Off: «Dies ist die Geschichte von einem Mann, der sein ganzes Leben im Hintergrund gelebt hat. Trotzdem wird er niemals vergessen werden.»
Der Schauspieler
Diego Peretti ist ein argentinischer Darsteller, der als Sohn von italienischen und spanischen Einwanderern geboren wurde. Bevor er seine Karriere als Schauspieler begann, war Peretti Psychiater.
Nach 14 Jahren hängte Diego Peretti seine Karriere als Seelendoktor an den Nagel. Fortan spielte er vor allem in spanisch sprechenden Filmen und TV-Serien mit.
Die Presse vergleicht ihn oft mit dem Hollywood-Star Al Pacino. Wegen der verblüffenden Ähnlichkeit und seiner italienischen Wurzeln.
Fakten, die man wissen sollte
Sergio und Jane. Das sind die beiden Hauptfiguren. An wen erinnern diese beiden Namen? Genau: an Serge Gainsbourg und Jane Birkin.
In «Initials SG» nennen Sergios Freunde ihn auch «el Francés». Der Spitzname kommt nicht von ungefähr. Sergio nahm vor ein paar Jahren ein spanisches Cover-Album auf. Mit Liedern des französischen Chansonniers.
In einem ersten Versuch hatte Schauspieler Diego Peretti die Lieder mit spanischem Text gesungen. Die Filmemacher haben sich dann aber für die Version von Musiker Andrés Ortega entschieden.
Das Urteil
«Initials SG» feierte letztes Jahr am renommierten Tribeca Filmfestival in New York Premiere und wurde mit einem Preis ausgezeichnet.
Eigentlich erstaunlich, dass die Tragikomödie bisher nicht mehr Awards gewinnen konnte. Denn die Geschichte rund um den deprimierten Versager Sergio, der nur ein Ziel hat, nämlich berühmt zu werden, ist einfach nur grossartig.
Das liegt nicht nur am Schauspieler Diego Peretti, der in diesem Fall ganzen Körpereinsatz zeigen muss.
Es ist vor allem dem kreativen Drehbuch zu verdanken. Eine absurd-komische Szene, die man nicht vergisst: Der heruntergekommene Sergio holt sich auf dem Klo einen runter. Das Handy klingelt. Was macht er? Er geht ran. Und macht nach dem Gespräch weiter, als wäre nichts gewesen.
In «Initials SG» passieren unglaublich verrückte Dinge. Diesen Film muss man sich unbedingt im Kino anschauen.
Kinostart: 18.06.2020