Im ersten Teil stand die Welt von Klein-Riley wegen eines Umzugs Kopf. Nun ist sie ein Teenager, der mit gemischten Gefühlen der Highschool entgegenblickt. Bevor der Ernst des Lebens beginnt, will sie sich mit ihren besten Freundinnen im Hockey-Camp vergnügen. Ein netter Plan, für den die beginnende Pubertät nur ein müdes Lächeln übrig hat.
Denn ab sofort sorgt im Kopf der Heldin eine Abrissbirne für Lärm. Um Platz für weitere Emotionen zu schaffen, wird im Oberstübchen kräftig umgebaut. Regisseur Kelsey Mann nennt die Teenie-Jahre «eine Renovierung» und stellt diese genauso dar: Als notwendigen, schmerzhaften Prozess, bei dem kein Stein auf dem anderen bleibt. Kaum auszuhalten, wenn man drinsteckt, aber umso vergnüglicher im Rückblick.
Von komplexen Gefühlen und Komplexen
Mit den fünf primären Impulsen hat uns Teil eins vertraut gemacht: Damals stritten Freude, Angst, Wut, Ekel und Kummer – personifiziert als possierliche Gestalten – in Rileys Schaltzentrale um die Befehlsgewalt. Jetzt gesellen sich vier neue Bekannte hinzu: Zweifel, Neid, Peinlichkeit und – mais oui – Ennui.
Erstere Persönlichkeitsfacette stellt sich als besonders dominant heraus. Die von Maya Hawke gesprochene Nervensäge bereitet Riley psychisch aufs Scheitern vor und versucht diesem mit vorauseilendem Tatendrang entgegenzuwirken. Anxiety wird diese überschiessende Besorgnis auf Englisch genannt, was deren Wesen deutlich besser beschreibt als die etwas platte deutsche Übersetzung (Zweifel).
Doch egal, welche Sprachversion man schaut: Die wachsende Reichhaltigkeit von Rileys Gefühlshaushalt wird sofort ersichtlich. Vielschichtige Emotionen treten mit den Grundantrieben in Konkurrenz und beginnen diese auszuhebeln. Aus dem unbefangenen Wildfang Riley wird so allmählich eine komplexe Person mit Komplexen.
Wenn Langeweile für Lacher sorgt
Da kein Weg an der Pubertät vorbeiführt, kennen wir alle die Typen, die nun immer häufiger Rileys Denken und Fühlen färben. Peinlichkeit, ein introvertierter Koloss mit rosigem Teint, lässt das Selbstvertrauen unserer Heldin im Handumdrehen verschwinden. Neid verwandelt die 13-Jährige in ein missgünstiges Monster. Und Ennui (Langeweile) schert sich einen Dreck darum, was in Rileys Welt abgeht.
Vermutlich verkörpert niemand die Essenz des Teenager-Seins besser als die mit Adèle Exarchopoulos’ französischem Akzent geschmückte Reizfigur: Sarkastischer Humor, apathischer Blick, demonstratives Augenrollen – doch, doch, Ennui ist uns allen schon mal begegnet. Und auch wenn die deutsche Übersetzung den Sachverhalt verkürzt, darf paradoxerweise konstatiert werden: Langeweile unterhält blendend.
Pixar hat’s doch nicht verlernt
Elf Oscars hat Pixar in der Sparte «Bester animierter Spielfilm» bis dato gewonnen. 2016 wurde diese Ehre auch «Inside Out» zuteil. Doch zeitgleich mit der Pandemie begann Disneys Goldesel statt kreativer Kostbarkeiten immer mehr Mist zu produzieren. Angesichts dessen waren Zweifel angebracht, ob «Inside Out 2» die hohe Qualität des beliebten Vorgängers erreichen würde.
Die Welt hielt darum den Atem an, als Pixar die ersten Bilder veröffentlichte: 157 Millionen Mal wurde der Trailer in den ersten 24 Stunden angesehen – Rekord für einen Animationsfilm. Das 96-minütige Endprodukt verdient die grosse Aufmerksamkeit. «Inside Out 2» ist der lustigste Pixar-Film seit langem.
Kinostart: 13.6.2024