Singen könne sie in der Kirche, nicht beim Putzen, zischt die Zofe Elsie an. Elsie ist Magd eines Fabrikbesitzers, träumt aber von einem Leben als Sängerin.
Die Tochter des Patrons findet Gefallen am Gesang der Magd und schlägt ihrem Vater vor, Elsie ein Stipendium für ein Musikstudium in Florenz auszurichten. Dem Herrn Direktor gefallen allerdings andere Vorzüge der Magd.
Bald darauf ist der Traum von Florenz ausgeträumt: Der Hausherr verheiratet die schwangere Elsie mit seinem Rossknecht Jakob und versorgt die beiden mit einer Kuh auf einem zerfallenden kleinen Gehöft.
Während Elsie weiter von einer Musikkarriere träumt, will Jakob als Fuhrmann ein eigenes Ross besitzen. Elsie möchte sich ihm zur Seite stellen, auch wenn die beiden zwangsverheiratet wurden: «Lueg Jakob, I will numen eis: Musig mache. So lang ich das chan, isch mr das au Rächt mit dim Ross!»
Selbstbestimmte Zwangsehe
Ein Handschlag zwischen den beiden jungen Menschen verleiht ihrer zukünftigen Zwangsgemeinschaft einen Hauch moderner Selbstbestimmung und ist programmatisch für den Film von Katalin Gödrös.
Sie hätten sich beim Film auf das konzentriert, was in ihren Augen das Moderne an der Geschichte von Silvia Tschui ist, sagt die Regisseurin: «Die Beziehung zwischen Elsie und Jakob».
Im Gegensatz zum Buch, das mit seinem quecksilbrigen, dialektal gefärbten Sprachfluss die brutale Härte des Lebens seiner Figuren konterkariert, bleiben Elsie und Jakob im Film realistisch wortkarg.
Detailverliebtheit sorgt für Realismus
Das Buch skizziert immer wieder fantastische Szenen, etwa von den Ratten im Keller, die ob der Schönheit von Elsies Gesang alle tot umfallen. Gödrös setzt hingegen auf einen schmerzlichen, historisch präzisen Realismus, der noch dadurch verstärkt wird, wie die Kamera die unbeteiligte Schönheit der Natur auf die Leinwand bringt.
Im Buch wird die Geschichte mit einem Journal-Eintrag des Fabrikdirektors auf 1869 gelegt. Im Film dagegen wirkt das ländliche Setting fast zeitlos, auch wenn Katalin Gödrös betont, sie hätten bei der Ausstattung penibel auf historische Details geachtet. Alles, von den Holzschuhen bis zur Musik, sei so akkurat wie möglich auf 1870 ausgerichtet worden.
Film setzt eigenes Statement
Diese Detailtreue und die historische Korrektheit der Ausstattung im Film setzen sich von der farbenfroh träfen Bildsprache des Romans ab. Damit steht der Film als beeindruckend realistische Interpretation des Buchs auf eigenen Füssen.
Das singende, strahlende, dem Leid und der Härte trotzende Herz dieses Films aber ist Luna Wedlers Elsie.
Kinostart: 18.01.2024