War es ein Fehltritt, ein Sturz oder gar ein Gewaltverbrechen? Für eine endgültige Abklärung ist die Leiche zu verwest: Zehn Monate sind vergangen, seit der mazedonische Gastarbeiter spurlos im Onsernone-Tal verschwand.
Zum Leichenfund kam es im Mai 2016. Jetzt ist Sommer. Ein heftiger Regenschauer prasselt auf die abgelegene Tessiner Alphütte nieder. Das trommelnde Geräusch erklärt den Filmtitel: Die Kühe tanzen wieder auf dem Dach.
Der Hüttenwart Fabiano, 38, hat von den Kühen geträumt. Davon, wie eine von ihnen kurzerhand durch die Decke krachte: «Das könnte aber auch sein, weil ich am Abend zuvor eine Flasche Whisky getrunken hatte», sagt er lachend. Er macht sich gut vor der Kamera.
Plötzlich war er weg
Der Dokumentarfilm «Kühe auf dem Dach» gibt nur zögerlich preis, was die eine Geschichte mit der anderen zu tun hat. Aber langsam setzt sich ein Bild zusammen: Der Gastarbeiter hat letzten Sommer auf dieser Alp gehirtet – Fabiano war vielleicht der letzte Mensch, der ihn lebend gesehen hat.
Als sein Gehilfe damals plötzlich verschwand, spürte ihm Fabiano nicht lange nach: Kein Handyempfang in der Gegend, und ein Bauchgefühl, der Mann sei halt wortlos abgezogen, weil ihm die strenge Arbeit über den Kopf wuchs. Dann muss er wohl gestolpert sein.
In der Gegend tuschelt man freilich, es sei da nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Auch die Lokalpresse mischt sich ein. Der Filmemacher Aldo Gugolz streift diese Gerüchte kurz. Fabiano und seine schwangere Lebenspartnerin Eva verwerfen sie als verleumderisches Gewäsch. Damit hat es sich, Gugolz hakt nicht nach.
Eine Aussteiger-WG?
Stattdessen setzt «Kühe auf dem Dach» eindrücklich auf Atmosphäre. Da ist zuerst einmal diese aussergewöhnliche Menschengruppe, diese Bergbauern-Community aus Leidenschaft: Fabiano, Eva und die beiden neuen Gehilfen hirten, melken und käsen zwischen Ziegen und Kühen, an diesem mystischen aufgeladenen Ort samt seinen Wetterkapriolen. Abends dröhnen sich die Männer gern ein wenig zu. Das gehört anscheinend zum Ritual.
Aber da ist auch die soziale Realität: Das alles rechnet sich nicht. Das idealistische Projekt war nie eine Geldgrube, und seit der Geschichte mit dem Toten bringt Fabiano den Ziegenkäse kaum noch weg, wie ein Ausflug nach Locarno zeigt. «Alles hier unten ist grau», sagt Fabiano. Nein, das ist nicht seine Welt.
Licht ins Dunkel
Doch schon bald wird der Film heller: Fabianos Sohn ist auf die Welt gekommen. Ein neues Leben drängt jetzt den mysteriösen Todesfall in den Hintergrund. Zunehmend scheint im Film die Sonne.
Der «Fall» mit dem Gastarbeiter wird auch ganz am Schluss des Films nicht geklärt sein – obwohl im letzten Akt noch ein dramatisches Element dazukommt. Licht ins Dunkel seines wunderbaren Films bringt Aldo Gugolz trotzdem. Und die Kühe, sie hören für eine Weile auf zu tanzen.