«If you want me, just whistle. You know how to whistle, don't you? You just put your lips together and blow.» Diesen lässigen Spruch sagt Lauren Bacall zu Humphrey Bogart im Film-Noir-Klassiker «To Have and Have Not» von 1944.
Direkt hat das nichts mit dem rumänischen Krimi «La Gomera» zu tun – und andererseits doch fast alles: Es wimmelt vor Film-Noir-Zitaten in diesem Film, und im Zentrum der Handlung wird fleissig gepfiffen.
Akustisches Kryptogramm
Die Grundidee des Films ist so einfach wie genial: Eine kriminelle Gang aus Rumänien benützt eine obskure Pfeifsprache als Geheimcode, um nicht abgehört zu werden: «El Silbo», wie es real noch praktiziert wird auf der kanarischen Insel La Gomera.
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive eines korrupten Polizisten aus Bukarest: Seine Gangsterfreunde zwingen ihn am Anfang des Films, den Code zu erlernen – weil seine Wohnung von der Polizei mit Mikrofonen und Kameras verwanzt worden ist.
Eine Form für die Idee
Der Reiz am Konzept ist klar: Mit einer archaischen, fast ausgestorbenen Kommunikationsform schlagen die Figuren des Films der modernsten High-Tech-Überwachung ein Schnippchen.
Das ist fein ausgedacht, bietet jedoch noch keinen abendfüllenden Film: Der Autor und Regisseur Corneliu Porumboiu musste sich zuerst einmal ein passendes Gefäss für seinen zündenden Einfall ausdenken.
Subversive Signale
Porumboiu ist von den rumänischen Cineasten der Gegenwart derjenige, der sich am fleissigsten darum bemüht, Bindeglieder zu finden zwischen Autoren- und Genrekino.
Daher rührt auch sein eher kopflastiger Ansatz, die Idee mit der Pfeifsprache einzubetten in eine audiovisuelle Form: Weil diese Pfeifsprache als ein subversives Zeichensystem funktioniert. Und weil Porumboiu auch die gesamte Filmgeschichte als ein Zeichensystem versteht, baut er sein Werk aus lauter Spielfilmzitaten und -klischees zusammen.
Film im Film
Das klingt nach bemühtem Meta-Kino. In einer gewissen Weise ist es das auch, denn Porumboiu fährt mit akribischer Verbissenheit die Stereotypen des «Film Noir» auf.
Am deutlichsten wird dies anhand einer Frauenfigur, die bis ins letzte Detail dem Profil einer Femme fatale entspricht: Der korrupte Polizist erliegt ihrem Charme und folgt ihr blind, obwohl er eigentlich merken müsste, dass sie ihn jederzeit ins Verderben führen kann.
Mehr als nur Plot
Porumboiu hätte mit diesem ausgeklügelten Verfahren einfache, vergnügliche Spannung erzeugen können – aber aus irgendeinem Grund will er noch eine Spur cleverer sein.
Er bindet seinem Publikum regelrecht auf die Nase, dass es sich bei seinem Thriller um einen «Film im Film» handelt. Einmal sitzen die Figuren im Kino und schauen sich einen Western mit John Wayne an, ein andermal benutzen sie ein ehemaliges Filmset für einen Hinterhalt.
Das alles ist sehr, sehr meta – und manchmal gar etwas zu meta, weil es auffällig an Quentin Tarantinos Machart erinnert.
Letztes Loch, richtiger Pfiff
Die Kurve kriegt «La Gomera» letztlich, weil er seine Grundidee in den letzten Minuten dann doch noch zu einem konsequenten Ende führt: Als der Film bereits im Zitatenwahn zu ertrinken droht und die «El Silbo»-Pfeifsprache schon fast zur Nebensache verkommen ist, wird sie noch einmal richtig wichtig.
Denn ausgerechnet das Pfeifen wird zum Knackpunkt in der unterschwelligen Romanze des Films. «You know how to whistle, don't you?»
Kinostart: 13.02.2020
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 14.02.20, 17:20 Uhr