«C’est compliqué» meint Pauline, als Galina, das Ferienmädchen aus Russland sie fragt, ob sie verliebt sei. «Non, c’est simple» widerspricht Galina. «You are in love – or you are not.»
Diese drei Sätze bringen jedes Melodram auf den Punkt, jede Dreiecksgeschichte, jeden umgepflügten Lebensentwurf.
Pauline (Mélanie Thierry) und Alex (Pierre Deladonchamps) haben sich auf ihrem kleinen Hof im Jura eingerichtet und träumen von einem Leben in natürlicher Autonomie. Auch wenn Paulines Schwester Mara, die örtliche Tierärztin, massive Probleme sieht: Alex will seine Kühe ohne Antibiotika und chemische Hilfsmittel durchbringen.
Und er will den Hof mit einer Windturbine völlig autonom machen. Den Aufbau der riesigen Turbine überwacht der Samuel (Nuno Lopes), der schon beim ersten Besuch auf dem Hof zu schnell fährt und eines der kleinen Wollschweine überrollt.
Zwei Menschen – und ein Dritter
Natürlich dauert es kaum zehn Minuten, bis klar ist, wohin sich die Geschichte bewegen muss: «C’est compliqué.» – «Non, c’est simple.» Je einfacher die Geschichte, je klarer die Konstellation der Figuren, desto mehr Spielraum entsteht beim Erzählen, beim Aufladen, beim Umsetzen in Bilder.
Zusammen mit ihrem Kameramann und Lebenspartner Stéphane Kuthy hat Bettina Oberli eine Meisterschaft für diese Bilder entwickelt. Konkrete Bilder, wie jenes der Windturbine als Symbol der Veränderung und der Störung, oder der so einfache wie bedeutungsschwangere Einfall, eine Western-ähnliche Autofahrt im dichten Nebel am Creux du Van enden zu lassen.
Da befinden sich Pauline, Galina und Samuel plötzlich hilflos im undurchsichtigen Weiss, im Wissen darum, dass der nächste Schritt in den Abgrund führen könnte. Und suchen sich gegenseitig. Das ist Holzhammersymbolik, klar. Aber schön.
15 Jahre sind Pauline und Alex zusammen. Der Wind, der die Autonomie bringen soll, tut das auch. Er dreht, die Geschichte dreht.
Effizientes Kino
Dass Bettina Oberli dieses ganze Drama in 86 Minuten packen kann, zeugt von der Evolution des Kinos, von unserer Konditionierung, unserer Liebe zu den immer gleichen alten, neuen Geschichten von zwei Menschen und einem Dritten, einem Lebensentwurf und diesem Wind, der dreht.
Und gleichzeitig hat es in unserer neuen Zeit der endlosen, von Drama zu Drama sich steigernden Serien etwas verblüffend Effizientes, wenn man aufgrund eines Blickwechsels schon nach zehn Minuten weiss, in welche Richtung die Figuren umfallen werden und wo sie hinmüssen.
Es ist ganz einfach
«Le vent tourne» ist sattes, gut erzähltes Drama und steht gleichzeitig mitten in den Nöten der aktuellen Orientierungssuche, zwischen dem Wunsch nach Autonomie und Natürlichkeit und Gemeinschaft und Zukunft in einer Welt, die immer kleiner wird, immer weniger Raum für eigene Träume lässt.
Das ist einfaches, starkes Kino, ein Film, der sofort einfährt, der keine Interpretation braucht und keine Diskussion. C’est simple: On aime. Ou on n’aime pas.
Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 30.1.2018, 17:20 Uhr