Sogar wir Muggel wissen: Ohne Bösewichte wär’ die Welt von J.K. Rowling eine lahme Hokuspokus-Mär. Voldemort war die magische Zutat, die «Harry Potter» dynamisierte. Und Grindelwald ist das Mittel, welches die «Beasts»-Reihe davor bewahrt, überzuckert zu wirken. Obwohl es dort von süssen Tierwesen nur so wimmelt.
Grindelwalds viele Gesichter
Fans erinnern sich: Grindelwald feierte seine Kinopremiere bereits vor zwölf Jahren im siebten Harry-Potter-Film. Verkörpert wurde der Schwarzmagier damals von Michael Byrne (als alter Mann) und Jamie Campbell Bower (als junger Beau).
Auch in der Spin-off-Trilogie mit den «Fantastic Beasts» liehen verschiedene Männer Grindelwald ihre Gestalt: Zuerst Colin Farrell, dann Johnny Depp und nun Mads Mikkelsen. Erzählerisch motiviert ist aber nur die erste Transformation, in der Grindelwalds Tarnung (Farrells Antlitz) durch einen Zauber entlarvt wird. Wer verstehen will, wieso Grindelwald im neusten Film erneut ganz anders aussieht, muss sich durch die Klatschspalten wühlen.
Dort erfährt man von der Schlammschlacht, die sich Johnny Depp und seine Exfrau Amber Heard seit Jahren vor Gericht liefern. Streitpunkt ist häusliche Gewalt. Ob schuldig oder nicht: Depps Ruf hat mächtig gelitten. So sehr, dass Warner Bros den Star darum bat, sich aus der Reihe zurückzuziehen.
Dumbledores Geheimnisse
Dass sich Hollywood danach an Mikkelsen wandte, um Depp zu ersetzen, erstaunt wenig. Schliesslich hat der Däne seine dunkle Seite schon oft zum Funkeln gebracht. Zum Beispiel als Bond-Schurke Le Chiffre oder als Kannibale Hannibal in der gleichnamigen Serie.
Wenn Mads Mikkelsen die Szenerie betritt, bleibt einem der Atem weg. So ergeht es auch Jude Law zu Beginn des neuen Films. Allerdings nicht nur, weil Mikkelsen seine Figur mit diabolischem Charme auflädt. Sondern vor allem, weil Law als Dumbledore tiefste Gefühle mit Grindelwald verbindet.
«Ich bin dir gefolgt, weil ich dich geliebt habe», bekennt der sichtlich gerührte Dumbledore und sorgt damit schon nach wenigen Minuten für klare Verhältnisse: Die beiden Magier waren einst ein Paar, das seine Liebe gar mit einem Blutschwur besiegelte.
Hassliebe unter Männern
Inzwischen haben sich die beiden auseinandergelebt – aufgrund unüberbrückbarer ideologischer Differenzen. Während Grindelwald die Eliminierung sämtlicher Muggel (Menschen ohne Zauberkräfte) anstrebt, plädiert Dumbledore für ein friedliches Zusammenleben. Würde sie ihr Blutschwur nicht daran hindern, hätten sich die zwei längst einen Kampf geliefert. So aber bleiben die Antipoden gefangen: in einer Hassliebe.
Man darf gespannt sein, wie die queere Community auf «The Secrets of Dumbledore» reagiert. Zumal diese seit Jahren mit Autorin J. K. Rowling auf Kriegsfuss steht. Nicht erst seit 2020, als die Harry-Potter-Schöpferin mit Tweets zum Thema Geschlecht und Gender den Zorn Tausender Transmenschen auf sich zog. Bereits zuvor war moniert worden, dass Rowling zwar häufig von Diversität spreche, diese in ihren Werken aber unsichtbar bleibe.
In der Tat hatte die Bestsellerautorin Dumbledore schon 2007 als schwul geoutet. Allerdings nicht in einem Buch oder einem Film, sondern im Rahmen einer öffentlichen Fragerunde. Im Kino blieb die Beziehung zwischen Dumbledore und Grindelwald dagegen nebulös. «The Secrets of Dumbledore» macht jetzt reinen Tisch – mit Jude Law und Mads Mikkelsen als Magier, die so vielschichtig sind, dass sie niemand auf ihre Homosexualität reduzieren wird.
Kinostart: 7. April 2022