Der Ansatz ist spannend: Einen bekannten Künstler nicht auf klassische Weise zu porträtieren, sondern seine Einflüsse, seine Kunst und sein Wesen zum Anlass für eine klanglich-visuelle Collage zu nehmen. Für eine Reise ins Unbekannte.
Eine Stimme aus dem Off begleitet diese Reise, sie spricht in der ersten Person. Es nicht der porträtierte Künstler, sondern der Filmautor selbst, der sich Fragen stellt: «Was löst Not Vitals Kunst in mir aus? Wie bilde ich sie ab? Worauf läuft mein Film hinaus?»
Die Stimme klärt wenig, unterstreicht aber den herantastenden Gestus des Unterfangens.
Ein Essay
Pascal Hofmann (Buch, Regie, Schnitt) und Benny Jaberg (Kamera) bezeichnen ihr Werk als ein «dokumentarisches Essay für Kino und Festival». Es interessiert sie nicht, die Welt des Kunstschaffenden realitätsgetreu abzubilden. Stattdessen überhöhen, verdichten und sublimieren sie das Vorgefundene.
Dieses Vorgehen verleiht dem Film eine eindrückliche traumartige Qualität, und zwar von den ersten Einstellungen an. Die 70 Minuten, die der Film dauert, sind eine starke sinnliche Erfahrung, oder profaner ausgedrückt: ein Augen- und Ohrenschmaus. Mit coolem Jazz, mit vielen vertrackten Bildkompositionen.
Wer ist Not?
Aber wer ist Not Vital überhaupt? Er ist ein international gefragter Künstler aus dem Unterengadin, Jahrgang 1948, bekannt für eigenwillige Skulpturen: eine Brücke aus Eselsköpfen, senkrechte Zungen aus Stahl, immense geländerfreie Treppenbauten, die zum Betrachten des Sonnenuntergangs einladen. Ein echter Charakterkopf.
Seit mittlerweile fünf Jahren ist Not Vital zudem Herr über das Schloss Tarasp, das er vorwiegend mit seiner eigenen Kunst dekoriert.
Not spricht
Diese Fakten eignet man sich besser vor dem Film an. Denn im erratischen Narrativ von «Not Me» werden sie bestenfalls gestreift. Vitals Kunst steht hier nicht im Zentrum, sondern sie ist der Ausgangspunkt für weitere Experimente.
Vital selbst spricht einige Male in die Kamera: auf Rätoromanisch. Seine Interventionen wirken direkt und geerdet im Vergleich zum Off-Monolog des Regisseurs, der wiederholt seine Selbstzweifel thematisiert.
Emotionale Haltung
Der Filmemacher Pascal Hofmann gibt sich skeptisch und verletzlich. Das gibt dem Film einen emotionalen Anstrich, den er sonst nicht hätte.
Ironischerweise bringt er aber gerade mit dem ständigen Hinterfragen seines Tuns das Projekt ins Wanken: Phasenweise steht er sich damit selbst im Weg beim Betrachten von Not Vitals Kunst. Und er steht im Weg des Publikums, das die Kunstwerke vielleicht selbst interpretieren möchte.
Die berauschende Ästhetik des Films funktioniert trotzdem hervorragend. Viele Einstellungen wirken, als hätte sie jemand direkt aus seinem Unterbewusstsein gefischt. Wenn man sich beim Schauen auf dieser Ebene einpendeln kann, funktioniert der Film perfekt.