Es ist ein gängiges Horrorfilm-Klischee: die Idylle am Anfang des Films, wenn noch alles in Ordnung zu sein scheint. Das Setting ist meist ein grosses altes Haus in der Natur, weit entfernt von der nächsten Stadt.
M. Night Shyamalan setzt diesem Sujet in seinem neusten Werk noch eins drauf. In «Old» schickt er seine Protagonistinnen und Protagonisten in ein regelrechtes Paradies: ein luxuriöses Ferienresort in der Karibik, umgeben von Palmen, weissen Sandstränden und türkisfarbenem Meer. Die Protagonistinnen und Protagonisten passen perfekt in das malerische Setting: Es ist eine vierköpfige Bilderbuchfamilie. Wohlhabend, gebildet, schön.
Ab an den (Alb-)Traumstrand
Der mysteriöse Leiter des Resorts gibt der Familie schon am ersten Ferientag einen Exkursions-Tipp: Ein verlassener Strand, eine kurze Busfahrt vom Hotel entfernt.
Zusammen mit weiteren Urlaubern begeben sie sich auf den Ausflug. Warum ihnen der Busfahrer nach der Ankunft einen riesigen Korb mit Essen in die Hände drückt, stellt sich schnell heraus: Die Besucherinnen und Besucher werden diesen Strand so schnell nicht mehr verlassen können.
Gefangen im Paradies
Denn wer versucht, durch die Felsen den Strand zu verlassen, verspürt einen seltsamen Druck im Kopf und fällt sofort in Ohnmacht. Das bleibt nicht das Gruseligste: Bald taucht eine Leiche auf. Eine Leiche, die schon nach wenigen Minuten komplett verwest. Dieser Prozess dauert normalerweise Jahre.
Bald wird klar: An diesem Strand altert alles in vielfacher Geschwindigkeit. Bemerkbar wird das vor allem an den Kindern, die irgendwann nicht einmal mehr von ihren eigenen Eltern erkannt werden.
Wettlauf gegen die Zeit
Doch Älterwerden bedeutet nicht nur äussere Veränderungen. Der erfolgreiche britische Chefarzt wird nach und nach zu einem verwirrten, aggressiven Rassisten. Seine jüngere, eitle Frau dreht wegen ihrer neuen Falten und den gebrechlichen Knochen komplett durch. Die Kinder werden im Nu zu Teenagern, verlieben sich ineinander, haben Sex – und eine halbe Stunde später wird das Baby geboren.
Der Horror des Alterns
Alzheimer, Tumore, Gehörverlust – klug nutzt M. Night Shyamalan Aspekte des Alterns für überraschende Horroreffekte. Was nervt: Er lässt seine Figuren dabei ständig die Handlung beschreiben.
Etwa, wenn die Tochter des Chefarztes versucht, den Felsen entlang zu klettern, um einen Ausweg aus der Misere zu finden. Schreiend erklärt sie, dass die Jungen nun die Verantwortung haben und dass ihr Vater eine Gefahr für die Gruppe sei. Dinge, die auf der Hand liegen. Für ein bisschen klüger könnte M. Night Shyamalan sein Publikum schon halten.
Zeit heilt alle Wunden
In dieser ganzen Horror-Action finden sich ab und zu auch ruhige Momente. Zeit heilt schliesslich alle Wunden, und das spüren auch die Protagonistinnen in «Old». So ist die Affäre von Mutter Prisca plötzlich verziehen. Das Ehepaar erinnert sich im fortgeschrittenen Alter schlicht nicht mehr an ihre Streitereien.
Diesen nachdenklichen Momenten wird in «Old» leider nicht viel Raum gegeben. Hier bleibt der Film an der Oberfläche und schöpft sein philosophische Potential nicht aus.
Nicht tiefgründig, aber unterhaltsam
Auch wenn das Ganze nicht sehr tiefgründig ist, ein aufregendes Erlebnis ist «Old» allemal. Wenig ist für ein Horrorfilmszenario wohl so sehr geeignet, wie die beklemmende Vorstellung des Turbo-Alterns.
M. Night Shyamalan weiss genau, wie er sein Publikum zwei Stunden packt. Wie seinen Protagonisten ergeht es auch den Zuschauenden: Die Zeit vergeht wie im Flug.
Kinostart: 29.07.2021