Der Regisseur Erich Langjahr tastet sich an das Phänomen Paracelsus. Ein wichtiger Hinweis versteckt sich im Titel: der Film heisst nicht «Paracelsus – Heilen mit der Natur» oder «Paracelsus – Der Stadtarzt von Basel», sondern: «Paracelsus – Ein Landschaftsessay».
Eine Marketing-Abteilung hätte den Titel wohl nicht durchgehen lassen: Die Aussicht auf statisch abgefilmte Kuhweiden und Nadelwälder ist selten ein Garant für klingelnde Kinokassen. Aber im Hinblick auf das naturorientierte Wirken und Denken von Paracelsus (1494 bis 1541) leuchtet die Wahl der essayistischen Form ein.
Wer war Paracelsus?
Woran liegt es eigentlich, dass Paracelsus, geboren als Theophrastus Bombast von Hohenheim, bis heute ein klingender Name ist? Wie sehen seine Errungenschaften aus? Wie lauteten seine Thesen? Und in welchem Fach behauptete sich Paracelsus überhaupt? War er Mediziner, Theologe, Naturheiler, Alchemist, Philosoph oder gar Mystiker?
Der Filmemacher Erich Langjahr hat sich zur Ergründung des Phänomens einen Paracelsus-Fachmann ins Boot geholt, den Schriftsteller und Paracelsus-Biografen Pirmin Meier. Ihn stellt er an unterschiedlichsten Reisestationen vor die Kamera – wie einen Reiseführer, der viel Wissenswertes zur Kulisse beizusteuern vermag. Das tut Meier lehrerhaft, aber immer enthusiastisch und mit trockenem Humor.
Eine Geschichte in Häppchen
Eine solide Aufschlüsselung des Lebenswerks von Paracelsus sollte man nicht erwarten: Die Informationen werden häppchenweise und sprunghaft vermittelt, Wesentliches und Anekdotisches wechseln sich ab.
Paracelsus mag als Vater der ganzheitlichen Medizin angesehen sein. Doch viele Thesen und Ansichten, die er zu Lebzeiten vertrat, wirken aus heutiger Sicht absurd. Auch sein Charakter war nicht über alle Zweifel erhaben. Daraus schöpft der Film einen gewissen Humor.
Eine kurzweilige Reise
Was man bei einem «Landschaftsessay» nicht unbedingt erwarten würde: Die grösste Qualität des Films liegt in seiner Kurzweil. Die zahlreichen schönen und weniger schönen Schauplätze wechseln schnell: Egg bei Einsiedeln, Flüeli-Ranft, Entlebuch, Basel und das Rheintal sind nur eine kleine Auswahl der Stationen. Die dazugehörigen Wortbeiträge sind angenehm knapp und nie überladen.
Langjahrs Formel ist simpel: Er bereist die zu sich zum Thema anbietenden Wirkstätten, Gedenktafeln, Kapellen, Museen, Bibliotheken und gar Geisterhäuser. Dort stellt er die Kamera auf, richtet den Ton ein, lässt die Fachperson (meist Pirmin Meier) sprechen. Mehr braucht es nicht. Als Publikum fühlt man sich bestens mitgenommen.
Wasser als verbindendes Element
Der Rheinfall sei ein Hörsaal der Natur, wird Paracelsus gegen Ende des Films zitiert. Man stellt fest: Dieses Wasserrauschen zieht sich schon durch den ganzen Film. Zuerst gluckert die Sihl an der Geburtsstätte von Paracelsus, während Pirmin Meier spricht. Im Napfgebiet wird Gold gewaschen. In Basel plätschert der Goldbrunnen vor dem Pharmaziemuseum.
Umso ironischer, ja geradeaus witzig wirkt es dann, wenn dieses Rauschen in einigen Szenen nicht von fliessendem Wasser stammt, sondern von Auto- und Flugzeuglärm, welcher den Sprecher an seinem Vortrag hindert. Ein Hauch von Zivilisationskritik in einem Film, der vor allem vermittelt, wie abwechslungsreich und unterhaltsam eine kleine Bildungsreise sein kann.
Kinostart: 14. April 2022