Patricia Dombrowski will weg. «My verse is full of curses 'cause I'm stuck in dirty Jersey», rappt sie. Ihr grösster Wunsch: Die trostlose Heimatstadt in New Jersey gegen New York City eintauschen. Und so richtig absahnen mit Hip-Hop-Musik.
Doch das dürfte trotz Talent schwierig werden: Patti ist eine bleiche, übergewichtige Aussenseiterin. Ihr wenig schmeichelhafter Spitzname: «Dumbo».
Ebbe in der Geldbörse
Die unbezahlten Arztrechnungen der kettenrauchenden Oma im Rollstuhl stapeln sich derweil. Pattis Lohn als Kellnerin reicht dafür knapp, denn auch in der Geldbörse ihrer Mutter herrscht Ebbe.
Diese war selbst auch einmal Frontfrau in einer 1980er-Jahre-Power-Pop-Band und ist seither dem Jägermeister verfallen. Kurz: Ein besseres Leben ist in der Dombrowski-Familie nicht in Aussicht.
Die Story war schon mal da
Wirklich originell ist das alles nicht. Ein junger Mensch aus ärmlichen Verhältnissen muss Hürden nehmen und Rückschläge überwinden, um am Schluss dem eigenen Traum ein Stück näher zu kommen.
Das kennen wir aus dem US-Kino spätestens seit «Rocky»; vor allem aber auch seit «8 Mile» - dem Spielfilm, in dem Eminem als ein Alter Ego von sich selbst auftrat und die bescheidenen Anfänge seiner Karriere nachstellte.
In diesem Zusammenhang wurde in der Presse auch schon gekalauert, der Film «Patti Cake$» sei ein «Feminem Movie». Die bisherigen Kritiken fallen zwar positiv bis euphorisch aus, aber dennoch wurde in einzelnen Rezensionen die Vorhersehbarkeit einzelner Wendungen bemängelt, sowie ein freizügiger Umgang mit Klischees.
Bling-Bling im Märchenwald
Auf solche Vorwürfe kann man kommen, wenn man an «Patti Cake$» den Anspruch stellt, ein realistisches, gesellschaftskritisches und glaubwürdiges Werk zu sein.
Aber je länger der Film dauert, desto ausgeprägter wird der Verdacht, dass der Autor und Regisseur Geremy Jasper nicht diese Ziele verfolgt hat. Es häufen sich stattdessen die Anzeichen, dass wir hier vielmehr eine Märchengeschichte erzählt bekommen.
Wie auch alle anderen Märchen handelt «Patti Cake$» in erster Linie vom Erwachsenwerden. Es geht Patti nicht nur um den musikalischen Ruhm und um die Flucht aus New Jersey. Sondern darum, endlich als die Frau respektiert zu werden, die sie ist. Und dieses Bedürfnis ist universal verständlich.
Böse Wölfe, gute Feen
Wer genauer hinschaut, findet in Geremy Jaspers Drehbuch Märchenmotive zuhauf. Da ist die erwähnte Grossmutter, da ist ein (vermeintlich) böser Wolf, und da ist vor allem auch eine gute Fee. Eine beliebte DJane und Radiomoderatorin, die Pattis Demo-CD lächelnd entgegennimmt und dann auffällig lange von der Bildfläche verschwindet.
Wir ahnen voraus, dass diese Moderatorin Pattis Tracks irgendwann am Radio spielen wird. Und wir ahnen auch, dass sie einschlagen werden wie eine Bombe. Aber das ist gewollt: Geremy Jasper weiss genau, dass wir diesen späten Erfolg bereits kommen sehen. Er peilt längst eine ganz andere Publikumsreaktion an. Er will, dass wir uns diesen Erfolg auch wirklich wünschen.
Ein letzter Wunsch
Das tun wir längst. Es ist unmöglich, die von Danielle Macdonald mit viel Sinn für Komik gespielte Hauptfigur nicht ins Herz zu schliessen. Noch etwas wünschen wir uns sehnlichst. Dass Patti und ihre trinkende Mutter endlich wieder zueinanderfinden.
Auch das wird zum Schluss eintreffen, und auch das sieht man kommen. Aber wie es dann innerhalb einer spektakulären Sprechgesang-Nummer in Szene gesetzt ist, das ist dermassen geschickt eingefädelt, dass es einen schlicht zu Tränen rührt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 09.11.17, 16:50 Uhr