Zum Inhalt springen
Video
Die «notorische» Ruth Bader Ginsburg
Aus Kultursendungen vom 28.03.2019.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 2 Sekunden.

Neu im Kino «RBG»: Diese reife Richterin ist cooler als The Notorious B.I.G.

In Amerika wird Ruth Bader Ginsburg – kurz RBG – verehrt wie ein Popstar. Die gleichnamige Doku zeigt, womit die 86-Jährige das verdient hat.

Frauen werden bekanntlich oft auf ihr Erscheinungsbild reduziert. Die augenzwinkernd «notorisch» genannte US-Bundesrichterin Ruth Bader Ginsburg nicht. Dafür hat die zierliche, kleine Frau mit Brille hart gearbeitet.

Trotzdem gibt es inzwischen unzählige Memes und Merchandise-Produkte mit ihrem Konterfei. Als «Notorious RBG» ist die unermüdliche Kämpferin für Gleichberechtigung inzwischen beides: Ikone der Popkultur und juristische Machtfigur.

Audio
Ann Mayer über den Dokfilm «RBG»
aus Kultur-Aktualität vom 27.03.2019. Bild: zvg
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 37 Sekunden.

Ginsburg selbst nimmt’s gelassen. Im Film verliert sie nur wenige Worte über ihren Starstatus in liberalen Kreisen. Kein Wunder, wenn man weiss, dass sie als bekennender Workoholic Smalltalk für Zeitverschwendung hält. Lieber widmet sich die feministische Vorkämpferin, die regelmässig Gewichte stemmt, den wichtigen Dingen.

Familie, Freiheit, Frauenrechte

Ginsburgs Lebenslauf zeugt von ihrem eisernen Willen, die Welt zu verändern. Bereits mit 30 Jahren dozierte die zweifache Mutter als Universitätsprofessorin.

US-Präsident Jimmy Carter beim Handshake mit Ruht Bader Ginsburg.
Legende: Jimmy Carter war der erste demokratische US-Präsident, der Ginsburgs Kampf würdigte. Ascot Elite

1971 lancierte sie ein Pionierprojekt für Frauenrechte und verfasste die Klageschrift eines wegweisenden Gerichtsfalls. Ginsburg überzeugte in diesem den Supreme Court, ein sexistisches Bundesgesetz aufzuheben. Dieses besagte, dass bei der Vermögensverwaltung «Männer den Frauen vorzuziehen sind».

Ab 1980 wirkte Ginsburg als Richterin am Berufungsgericht, bis sie Präsident Bill Clinton beförderte: Seit dem 10. August 1993 ist sie das älteste Mitglied des Obersten Gerichtshofs. Die späte Krönung einer filmreifen juristischen Karriere.

Gewöhnlich gestalteter Film über eine Ungewöhnliche

Apropos Karriere: Die beiden «RBG»-Regisseurinnen Betsy West und Julie Cohen sind auch sehr erfolgreich. Ihr erster gemeinsamer Kinofilm füllte in den USA die Kassen und erhielt zwei Oscar-Nominierungen.

Gruppenbild des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1993 mit Ruth Bader Ginsburg.
Legende: Ruth Bader Ginsburg (zweite von rechts) brachte 1993 Farbe in den Supreme Court. Ascot Elite

Zuvor hatten West und Cohen vor allem fürs Fernsehen gearbeitet. Das merkt man «RGB» deutlich an: Die mehrfachen Emmy-Preisträgerinnen erzählen recht chronologisch und allzu konventionell.

Die Bilder unterscheiden sich kaum von einer x-beliebigen TV-Doku. Aussergewöhnlich ist «nur» der Inhalt: Ruth Bader Ginsburg trägt als veritable Superheldin den Film – mit ihrem Mann als Sidekick.

Dynamisches Duo mit klarer Rollenverteilung

Martin D. Ginsburg kennt und liebt seine Rolle im Schatten seiner übermächtigen Frau. Die Führungsqualitäten des renommierten Steueranwalts sind im Familiengefüge kaum gefragt.

Sie ist der Chef, fällt als personifizierte Ernsthaftigkeit die wichtigen Entscheidungen. Er sorgt mit seinem Witz für den comic relief, den befreienden Lacher. Gemeinsam sind sie unschlagbar. Besonders als Vorbild, dass Stärken und nicht das Geschlecht über die Rollenverteilung entscheiden sollten.

Ruth Bader Ginsburg im familiären Umfeld.
Legende: Sanfte Stimme, bestimmtes Auftreten: So verhält sich Ruth Bader Ginsburg auch privat. Ascot Elite

Vor einer anderen Entscheidung steht derzeit das Ginsburg-affine Kinopublikum: Dok- («RGB») oder Spielfilm («On the Basis of Sex») – das ist hier die Frage. Uns hat die kurzweilige Doku klar besser gefallen als das profillose Rührstück. Im Zweifel also lieber das «notorische» Original wählen als die blasse Hollywood-Kopie!

Kinostart: 28.03.2019

Meistgelesene Artikel