Der Filmdozent Mort Rifkin (Wallace Shawn) begleitet seine Frau widerwillig an das Filmfestival von San Sebastián: Sie arbeitet dort für einen jungen, französischen Regisseur. Rifkins Sorge: Die beiden haben was miteinander. Tatsächlich ist es dann aber Rifkin, der sich in Spanien in eine Dame verguckt.
«Rifkin’s Festival» ist ein Film über Cinephilie: Weil Rifkin diese Materie doziert, ist er besessen von grossen Namen wie François Truffaut, Federico Fellini und Ingmar Bergman. Und weil er den spanischen Festivalzirkus mit all den politisch relevanten Werken verabscheut, zieht er sich in seine alten Lieblingsstreifen zurück.
Klassiker werden wach
Das macht er wortwörtlich: Das Bild wird wiederholt schwarzweiss, und Rifkin steht plötzlich in Szenen aus Fellinis «8½» oder Truffauts «Jules et Jim». Woody Allen zelebriert diejenigen Referenzen, die er schon immer hochgehalten hat. Zum Schluss spielt Rifkin eine Partie Schach gegen den Tod – genau wie der Ritter in Bergmann «Das siebente Siegel».
Der Kniff mit den Filmen, die zum Leben erwachen, ist nicht originell, aber er funktioniert innerhalb von Woody Allens System ziemlich gut: In «The Purple Rose of Cairo» (1985) stieg eine Filmfigur von der Leinwand, diesmal zieht es den Mann in die Filme hinein.
Magere Pointen
Was die Pointen anbelangt, ist «Rifkin’s Festival» eher schwach. Ab und zu zündet ein Gag, aber Allens Humor ist in die Jahre gekommen. Seine Markenzeichen-Einzeiler über Gott, Sex und den Tod wirken, als hätte er bessere Varianten davon schon früher im Repertoire gehabt.
Ein Blick auf Allens Filmografie bestätigt die aufkommende Vermutung: Seine ernsten Filme sind viel besser gealtert als die Komödien. Was Woody Allen aber immer gut konnte, und immer noch gut kann, ist männliche Melancholie: Die bittersüsse Betrachtung des Lebens.
Das Alter Ego flirtet
«Rifkin’ Festival» ist ein Film, den Woody Allen für sich selbst gemacht hat. Er lässt sein Alter Ego ausgiebig in seinem persönlichen Filmkanon herumspazieren. Und er gönnt ihm einen Flirt mit einer rassigen Spanierin, die seine Enkelin sein könnte. Hauptdarsteller Wallace Shawn ist nur acht Jahre jünger als Allen.
Das berührt peinlich und wirkt wie aus der Zeit gefallen. Wobei: Woody Allens Frauenbild war schon früher problematisch. Aber sei’s drum: Das renkt sich aufs Alter wohl nicht mehr ein.
Geborgenheit und Trost
Was bei «Rifkin’s Festival» letztlich am meisten berührt: Der Film ist eindeutig das Werk eines Mannes, der in den letzten Jahren persönliche und berufliche Tiefschläge erlitten hat.
Wenn Rifkin die Realität wiederholt ausblendet und sich bei Jean-Luc Godard oder Luis Buñuel einnistet, dann wirkt das wie Woody Allens Flucht in diese Filme, wie eine Suche nach Geborgenheit und Trost.
Ein Ankunftspräsent
Da Allen selbst gern Witze über seine Sterblichkeit reisst, sei das folgende Gedankenspiel erlaubt: Wenn Woody dereinst im Jenseits seinen Meistern begegnet, dann hat er vielleicht «Rifkin’s Festival» unter dem Arm und sagt: «Schaut, ich habe Euch etwas mitgebracht!»