Die US-Amerikaner haben sich nie etwas aus einem König gemacht. Einen König hatten sie aber doch: Elvis Presley, den «King of Rock’n’Roll».
Der Musiker aus dem ärmlichen Tupelo, Mississippi, war kometenhaft zu Ruhm und Reichtum aufgestiegen und gilt bis heute als Verkörperung des Amerikanischen Traums schlechthin.
Im Rolls Royce des Kings
Dass sich anhand des Sängers der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel der USA nachzeichnen lässt, leuchtet als Idee ein. Doch der Dokumentarfilm «The King – Promised Land» hat bei aller Faszination eine entscheidende Schwäche: Die Überfülle an Bildern und Stimmen geht auf Kosten der Genauigkeit.
Mit einem Rolls Royce aus dem Fuhrpark des Kings fährt Regisseur Eugene Jarecki die Stationen von Elvis Presleys Karriere ab: Er besucht Mississippi, New York, Las Vegas und das deutsche Bremerhaven, wo der Sänger seinen Militärdienst absolvierte und von Tabletten abhängig wurde.
Bogen schlagen zur Gegenwart
Freunde, Bewunderer und Kritiker kommen zu Wort, im Fonds des Wagens spielen verschiedene Musiker zu Ehren des Kings auf.
In Rückblenden wird der US-Wirtschaftsboom der Nachkriegsjahre mit der Biografie von Elvis Presley verschränkt. Dass ein Weisser mit schwarzer Musik zu Erfolg kam, ohne sich je kritisch zur Bürgerrechtsbewegung zu äussern, sorgt bis heute für kontroverse Einschätzungen des Sängers.
Aufnahmen zur Protestbewegung «Black Lives Matter» oder zum Präsidentschaftswahlkampf von Donald Trump schlagen den Bogen zur Gegenwart. Doch wirkt der Aktualitätsbezug oft nur behauptet.
Maskottchen des Konsums
Eingestreut zwischen alten Dokumentaraufnahmen und Konzertmitschnitten sind knappe, kulturkritische Beobachtungen zum Zustand einer Nation, die sich bedingungslos dem Konsum unterworfen hat: Presley wird in dieser Lesart zum Maskottchen und Opfer eines selbstzerstörerischen Kapitalismus.
Oder wie ein Restaurantbesucher im Film sagt: Wenn Elvis Presleys Karriere den Triumph und Niedergang der Vereinigten Staaten widerspiegelt, dann sind die USA heute in einem ähnlichen Zustand wie der aufgedunsene King bei seinen Auftritten in Las Vegas – kurz vor einer Überdosis.
Abgesang auf Amerika
Mit seinem assoziativen Gedankenstrom und den teils gewagten Parallelmontagen zeichnet «The King – Promised Land» ein tristes Bild von der einst unangefochtenen Weltmacht, die Gier mit dem Streben nach Glück verwechselt hat und dafür den Preis der sozialen und kulturellen Verelendung zahlt.
Der Film gibt die gesellschaftliche Orientierungslosigkeit formal adäquat wieder – als manischer Trailer auf den Untergang des amerikanischen Imperiums.
Man könnte allerdings auch zum Schluss kommen, dass der Dokumentarfilm an derselben Malaise krankt, die er kritisiert: Aus Frust über den drohenden Bedeutungsschwund stopft «The King – Promised Land» schlicht zu viel in sich hinein.
Kinostart: 21.6.18