Die eine Familie ist arbeitslos und lebt in einer schmutzigen Kellerwohnung. Die andere ist stinkreich und bewohnt eine lichtdurchflutete Architektenvilla.
Während sich die Habenichtse mit Talent, Chuzpe und viel Psychologie in die Villa hineinwurmen, ahnen die anderen nicht einmal ansatzweise, wen sie sich da ins Nest geholt haben.
Eine Familie nistet sich ein
Den Anfang macht Sohn Ki-Woo. Aufgrund der Empfehlung eines Freundes und mit einem von seiner talentierten Schwester gephotoshoppten Diplom ergattert er die Stelle als Englisch-Nachhilfelehrer für das Töchterchen der reichen Parks.
Reaktionsschnell erkennt er eine Gelegenheit, als die etwas naive Mutter des Mädchens ihren hyperaktiven kleinen Sohn als künstlerisches Talent preist. Ki-Woo empfiehlt eine anerkannte Kunsttherapeutin – eine Rolle, die seine Schwester mit viel Talent und Frechheit sofort ausfüllt.
Gemeinsam plotten sie einen Weg, den Chauffeur der Familie zu diskreditieren, worauf sich Vater Ki-Taek (Song Kang Ho) diesen Job erschleicht.
Fehlt noch Arbeit für Mutter Chung-Sook. Doch die ist auch bald versorgt, als die durchtriebene Familie feststellt, dass die bisherige Haushälterin der Parks eine massive Pfirsich-Allergie hat.
Kino ohne Grenzen
Bong Joon-ho hat das Talent, mit seinen Drehbüchern und Filmen auf dem soliden Grund des Genrekinos alle Grenzen zu sprengen. «The Host» (2006) war ein Gesellschaftsporträt im Gewand eines Monsterfilms.
«Snowpiercer» von 2013 zeigte eine postapokalyptische Zweiklassengesellschaft in einem Hightech-Zug: Vorne die Gutbetuchten, ganz hinten die als Service-Sklaven gehaltenen Mittellosen – bis die sich zur Revolution entschliessen und die Zugspitze stürmen.
«Parasite» überführt nun dieses Szenario alltagstauglich ins gegenwärtige Korea – mit diesen zwei spiegelbildlich angelegten Familien an den beiden entgegengesetzten Enden der Wohlstandsgesellschaft.
Sympathische Superreiche
Wenn es dabei bliebe, wäre das schon spannend genug. Die Schauspielerinnen und Schauspieler verstehen sich auf genaue Zwischentöne. Die Figuren sind tiefer gezeichnet als im klassischen Genrekino, jede dieser Persönlichkeiten ist recht gut ausgearbeitet.
Bong Joon-ho vermeidet jeden vordergründigen Klassen-Antagonismus. Vor allem die Familie Park ist eigentlich sympathisch und freundlich gezeichnet.
Raus aus dem Mief
Bis auf wenige, aber starke Details. Wenn etwa der kleine Sohn der Parks in der Küche lauthals verkündet, dass die alle gleich riechen: der Chauffeur, die Haushälterin, seine Kunsttherapeutin und der Englischlehrer seiner Schwester.
«Muss ich jetzt unsere Kleider mit unterschiedlichen Waschmitteln waschen», fragt die Mutter beim Kriegsrat. «Nützt nichts», stellt der Sohn fest. «Es ist der Kellergeruch unserer Wohnung. Wir müssen hier raus.»
Später beklagt sich Mr. Park bei seiner Frau, dass der neue Fahrer, der ja eigentlich sehr okay sei, immer ein wenig wie diese Luft rieche, die von der U-Bahn hochkomme.
Aber Bong Joon-ho dreht noch etwas weiter auf. Auch die Villa der Parks hat ihre Geheimnisse. Mit denen eskaliert der bis da hin eher spielerische Klassenkampf.
«Parasite» entpuppt sich – wie schon «The Host» – als mehrdeutiger Titel für einen mehrdeutigen Film.
Kinostart: 01.08.2019