«Dies ist kein Film über die MeToo-Bewegung», stellt Hauptdarstellerin Zoe Kazan gleich zu Beginn des Interviews klar. Tatsächlich dreht sich «She Said» nicht um die Folgen des Weinstein-Skandals. Sondern um die Frauen, welche den Hashtag #MeToo mit einer Story zum Glühen brachten: «Es geht darum, wie zwei arbeitende Mütter die Welt veränderten. Indem sie ihre hieb- und stichfesten Recherchen in der ‹New York Times› publizierten.»
Für die Regie dieser zweistündigen US-Produktion wurde Emmy-Gewinnerin Maria Schrader («Unorthodox») engagiert. Die Deutsche war von der Idee, ihr Hollywood-Debüt mit einer wahren Geschichte zu feiern, sofort Feuer und Flamme.
Vor allem, weil die Geschichte Heldinnen ins Zentrum rückt, die das Rampenlicht bisher eher gescheut haben: «Wir kennen die Story von dem Moment an, als sie publiziert wurde», sagt die 57-Jährige mit Blick auf die Leerstellen. «Doch wer hat sie geschrieben? Wer sind die Journalistinnen Megan Twohey und Jodi Kantor?»
Dem Missbrauch auf der Spur
Im Film werden Twohey und Kantor von Carey Mulligan («Promising Young Woman») und Zoe Kazan («Ruby Sparks») verkörpert. Zwei Schauspielerinnen, die bekannt dafür sind, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Weinsteins Opfer schwiegen dagegen lange eisern, wie Jodi Kantor bei ihrer Recherche feststellen musste.
Um Weinsteins «robuste Maschinerie der Einschüchterung» zu durchbrechen, die laut Kantor «von ganz Hollywood gestützt wurde», waren glaubwürdige Schilderungen entscheidend: «Wir mussten für unsere Story einen Berg von Indizien anhäufen, damit diese nicht auf ein ‹Er sagte, sie sagte› reduziert werden konnte.»
Den Durchbruch schaffte Kantors Kollegin Twohey im Gespräch mit den Betroffenen durch eine Argumentation, die – leicht gekürzt – nun sogar im Filmtrailer zu hören ist: «Ich kann nicht ändern, was Ihnen angetan wurde. Aber wenn wir kooperieren und diese Story veröffentlichen, können wir andere vor Ähnlichem schützen.»
Monströses System der Vertuschung
Nach langem Hin und Her, das der Film ausführlich beleuchtet, wurde der Artikel von Twohey und Kantor am 5. Oktober 2017 publiziert. Endlich war schwarz auf weiss zu lesen, worüber in der Traumfabrik bloss getuschelt wurde: Harvey Weinstein hatte drei Dekaden lang Frauen genötigt, belästigt und missbraucht.
Die acht aussergerichtlichen Vergleiche, die der Artikel nennt, stellen allerdings nur die Spitze des Eisbergs dar. In den darauffolgenden Wochen brachen immer mehr Frauen das Schweigen, was Kantor und Twohey 2018 den Pulitzer-Preis einbrachte und Weinstein hinter Gitter brachte.
Vierte Gewalt als Superkraft
Inhaltlich voll auf der Höhe seiner Zeit, bietet «She Said» filmisch wenig Atemberaubendes. Regisseurin Maria Schrader und ihre überwiegend weibliche Schauspieltruppe stellen sich ganz in den Dienst der Geschichte, ohne grosse Glanzlichter zu setzen.
Mit Blick auf «Spotlight» wäre es nicht das erste Mal, dass ein grundsolides Presse-Drama wegen seiner Thematik den Oscar gewinnt. Damals wurde die Vierte Gewalt als Aufdeckerin von Kindsmissbrauch gefeiert. Diesmal retten Journalistinnen die Welt vor einem unersättlichen Sexualstraftäter.
Oder um es in Carey Mulligans Worten auszudrücken: «Es ist ein Film voller mutiger Frauen. Davon gibt's abseits des Superheldinnen-Genres nur wenige Beispiele im Kino. Hier ist ein solches. Das sollte gefeiert werden.»
Kinostart: 8.12.2022