Grüne Wiesen, gälische Namen und Glaubenskonflikte – dafür ist Irland gemeinhin bekannt. Dass die Insel auch grosses Kino hervorbringt, wissen wohl weit weniger Leute.
Drei Iren zeigen aber regelmässig, dass Irland Kino kann: Allen voran Colin Farrell, der bei der Rollenwahl zwischen Hollywood-Kisten jeweils gekonnt europäische Arthouse-Perlen einstreut. Sein Schauspielkollege Brendan Gleeson geht ähnlich vor, wobei bei ihm das Pendel etwas stärker in Richtung Kunstkino ausschlägt.
Die Filme des dritten im Bunde, Regisseur Martin McDonagh, sind am Schnittpunkt zwischen diesen beiden Filmwelten angesiedelt. So erstaunt es nicht, dass er für sein Kinodebüt 2008 genau die beiden oben genannten Landsleute rekrutierte: Farrell und Gleeson.
Irisches Gipfeltreffen mit Farrell und Gleeson
McDonaghs Action-Drama «In Bruges» («Brügge sehen … und sterben») schlug ein wie eine Bombe. Colin Farrell und Brendan Gleeson hinterliessen als antagonistisches Duo einen so starken Eindruck, dass beide für den Golden Globe nominiert wurden. Dass Farrell diesen gewann, während Gleeson leer ausging, verkam zur Randnotiz.
In Erinnerung blieb: Vereint sind Farrell und Gleeson kaum zu toppen. Zumindest, wenn Mastermind McDonagh seinen Teil dazu beisteuert. Das anerkannte auch die Oscar-Academy, indem sie Letzteren 2009 mit einer Nominierung für das Beste Drehbuch bedachte. 2018 kamen zwei weitere Nominierungen für «Three Billboards Outside Ebbing, Missouri» dazu. Das Goldmännchen entgegennehmen konnte McDonagh aber erst einmal: 2006 für seinen Kurzfilm «Six Shooter».
Zu dritt machten sich Irlands Kinogiganten erst wieder für «The Banshees of Inisherin» ans Werk. Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten: Martin McDonagh gewann in Venedig 2022 den Drehbuchpreis, Colin Farrell die Coppa Volpi als «Bester Schauspieler».
«The Banshees of Inisherin» auf Oscarkurs
Die Handlung von McDonaghs jüngstem Oscaranwärter, die auf einer fiktiven Insel namens Inisherin spielt, ist rasch erzählt: Pádraic (Colin Farrell) versteht die Welt nicht mehr, als sich sein best buddy Colm (Brendan Gleeson) eines Tages von ihm abwendet.
Verzweifelt versucht der am Boden zerstörte Pádraic, die alte Freundschaft wiederzubeleben. Doch der musisch begabte Colm steht felsenfest hinter seinem Entscheid, den Kontakt zum leicht einfältigen Pádraic abbrechen zu lassen. Mehr noch: Er stellt diesem ein schockierendes Ultimatum, das bald blutige Konsequenzen nach sich ziehen wird.
Maximal menschelndes Meisterwerk
Ist Colm depressiv? Müsste Pádraic Colms Wünschen entsprechen und sich zurückziehen? Oder sollte er ganz im Gegenteil versuchen, Colms Meinung und sich selbst zu ändern? In Windeseile wirft der Film Fragen auf, die einen nachhaltig beschäftigen.
Auf McDonaghs universelle Charakterzeichnung angesprochen, kommt Farrell ins Schmunzeln: «Alle Figuren hier sind meschugge. Sie sind wahnsinnig auf sehr unterschiedliche und eigene Weise. Archetypen, die zusammengebracht werden, um für ein blutiges Chaos zu sorgen.»
Ein Chaos, das historisch Beschlagene sofort mit dem Irischen Bürgerkrieg in Verbindung bringen werden. Dessen Lärm kann man in manchen Szenen ganz leise aus der Ferne vernehmen. Wie das gespenstische Echo von einer grösseren Bühne, auf welcher der Zwist zwischen einstigen Freunden längst eskaliert ist.
Kinostart: 5.1.2023