«Ich hoffe, Ihr habt Eure Checkbücher mitgebracht!», begrüsst Thomas Alva Edison (Benedict Cumberbatch) rund zwei Dutzend Vertreter der Finanzwelt.
Es ist das Jahr 1880. Edison hat seine potenziellen Investoren mitten in der Nacht auf ein abgelegenes Feld in New Jersey bestellt. In der Dunkelheit flackern um ihn, herum wie von Zauberhand erleuchtet, hunderte von Glühbirnen auf: Der Strom fliesst, die Sensation ist perfekt.
Schon in dieser ersten Szene vereint «The Current War» drei Qualitäten, die auch den restlichen Film prägen: eine attraktive, einfallsreiche Bildsprache, eine dichte Inszenierung und eine vollmundige Wortwahl.
Zudem ist das Tempo konsequent hoch: Die Schauplätze wechseln vielfach schon nach wenigen ausgetauschten Sätzen. Es kommt zu Zeitsprüngen, immer ist alles in Bewegung. Es fühlt sich an, als stünde der Film selbst unter Strom.
Konkurrenzkampf auf Zack
Diese forsche Erzählweise ist fordernd – der Regisseur Alfonso Gomez-Rejon hält sich ungern mit Erklärungen und Wiederholungen auf. Das sorgt zwar für Kurzweil, aber es macht es dem Publikum auch nicht immer einfach, der Handlung zu folgen.
Wenn sich die Figuren im getriebenen Duktus über elektromagnetische Felder, Glühdrähte oder über die Vor- und Nachteile von Gleichstrom und Wechselstrom unterhalten, dann muss man im Kino manchmal einfach darauf vertrauen, dass das Gesagte Sinn ergibt.
Im Kern der Handlung steht der erbitterte Konkurrenzkampf zwischen den beiden US-Elektrizitätspionieren Thomas Edison und George Westinghouse (Michael Shannon). Nikola Tesla (Nicholas Hoult) ist ein Dritter im Bunde.
Diese Herren kämpfen um die Vormachtstellung in der US-Stromversorgung mit Methoden, die auffällig zeitgemäss wirken: Man putzt Klinken in den höchsten Häusern. Man schnappt sich Patente unter der Nase weg. Man schwärzt sich gegenseitig in der Presse an. Und manchmal pokert man auch hoch, ohne etwas in der Hand zu haben.
In einer Szene erfährt Nikola Tesla von einem Mehrheitsaktionär, dass sein Unternehmen aufgekauft wurde und seine Erfindungen und Instrumente nicht mehr ihm selbst gehören.
Tesla wird aus der Firma geworfen, die er selbst aufgebaut hat. Das ist eine vielsagende Szene, die Alfonso Gomez-Rejon nachträglich in seinen Film eingefügt hat, nachdem das Projekt eine längere Irrfahrt durchlaufen hatte.
Harvey Weinstein und der Giftschrank
Denn passiert war Folgendes: «The Current War» wurde 2017 gedreht. Federführend war damals der Produzent Harvey Weinstein. Der war gerade dabei, den Film nach seinem Gutdünken umschneiden zu lassen, als er in Ungnade fiel.
«The Current War» landete im Giftschrank. Gomez-Rejon hatte monatelang keinen Zugriff auf sein eigenes Material – bis ihm Martin Scorsese dank einer kleingedruckten Vertragsklausel letztlich dabei helfen konnte, einen «Director‘s Cut» herzustellen.
Bitte mitdenken!
Diese neue Fassung läuft nun in den Kinos – und tatsächlich hat sie die Energie eines Befreiungsschlags: Gomez-Rejon hat es sichtlich genossen, seinen Erzählstil nicht länger verwässern oder verdeutlichen zu müssen.
Das Ergebnis ist anspruchsvoll und verlangt ein aktives Mitdenken des Publikums. Aber damit bietet «The Current War» genau das, was modernen Hollywood-Produktionen oft abgeht: intelligente, witzige, spannende Unterhaltung, bei der man sich im Kinosessel ernst genommen fühlt.
Kinostart: 9.1.2020