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Neu im Kino «The Last Duel»: Stargespickte Ritterspiele fürs MeToo-Zeitalter

Vergewaltigung oder Rufmord? Matt Damon und Adam Driver kämpfen als blaublütige Streithähne um ihre angeknackste Ehre.

Paris, anno 1386: Lady Marguerite de Carouges (Jodie Comer) beschuldigt Jacques Le Gris (Adam Driver), den Freund ihres Gatten (Matt Damon), der Vergewaltigung. Statt zu einem Prozess kommt es auf Wunsch der involvierten Männer zu einem Ritterduell auf Leben und Tod.

Ganz nach dem Motto: Wer gewinnt, hat recht. Eine brachiale Praxis, die bereits damals, im nicht mehr ganz so gottesfürchtigen Spätmittelalter, veraltet war. Daran anknüpfend, verkauft «The Last Duel» den archaischen Zweikampf in der Arena als Relikt einer vergangenen Zeit.

Ein wahrer Anti-Ritterfilm

Das Rittertum wird in diesem auf historischen Fakten fussenden Drama nicht gefeiert, sondern als blutiges Machtspiel der Männer demaskiert. In dem Frauen zum Zuschauen verdammt sind. Auch wenn, wie im Falle von Lady de Carouges, das eigene Leben auf dem Spiel steht: Denn verliert ihr Gatte das Duell, landet sie als Rufmörderin auf dem Scheiterhaufen.

Nahaufnahme von Jodie Comer als Lady Marguerite de Carouges.
Legende: Die Liverpoolerin Jodie Comer brilliert als Lady Marguerite de Carouges. 20th Century Fox

Entsetzt von dieser testosterongesteuerten Form der Urteilsfindung, sagt Schauspielerin Jodie Comer im Interview: «Sogar bei einer Vergewaltigung zählte nur der Schaden, den die Tat bei den Männern anrichtete. Was Marguerite widerfuhr, galt damals als Verbrechen gegen ihren Gatten, nicht als eines gegen sie. Das ist abscheulich.»

Damon und Affleck als treibende Kraft

Lanciert wurde der förmlich nach MeToo schreiende Film von zwei eng befreundeten Männern, die primär als Schauspieler bekannt sind: Matt Damon und Ben Affleck. Als Produzenten und Autoren von «The Last Duel» ist der Zweieinhalb-Stünder ganz klar ihr Baby. Übrigens erst das zweite nach dem Drama «Good Will Hunting», für das sie 1998 als Shootingstars den Drehbuch-Oscar absahnten.

Matt Damon, Ben Affleck und Ridley Scott im Smoking anlässlich der Filmpremiere in Venedig.
Legende: Die drei führenden Männer hinter «The Last Duel»: Matt Damon, Ben Affleck und Ridley Scott. Keystone / Joel C. Ryan

Für die Inszenierung ihres jüngsten Wurfs schwebte ihnen kein Geringerer als «Gladiator»-Regisseur Sir Ridley Scott vor. Und siehe da: Der Brite war vom Skript begeistert. Vor allem weil ihn dessen Erzählstruktur an einen Meilenstein der Filmgeschichte erinnerte: Akira Kurosawas «Rashomon».

Der japanische Schwarzweiss-Klassiker schildert die Geschichte einer Vergewaltigung aus mehreren Perspektiven. Davon inspiriert, zeigt «The Last Duel» das Geschehen dreimal in leicht unterschiedlicher Form, wie Ridley Scott im Interview präzisiert: «Aus der Sicht des mutmasslichen Täters, der Sicht von Lady de Carouges und derjenigen ihres eifersüchtigen Gatten. Das macht das Ganze erst richtig interessant.»

Mehrdeutigkeit unerwünscht

Echte Multiperspektivität hätte das Ganze wohl tatsächlich richtig interessant gemacht. Doch leider unterscheidet sich die Wahrheit von Le Gris verblüffend wenig von der Version der mutmasslich Geschändeten. So bleibt der Verdacht im Raum, dass die Macher aus schierer Angst vor einem drohenden Shitstorm auf Vieldeutigkeit verzichteten.

Adam Driver und Matt Damon als Ritter hoch zu Ross.
Legende: Wer gewinnt das Duell auf Augenhöhe? Der dunkle Ritter oder das eifersüchtige Narbengesicht? 20th Century Fox

Interessant sind dagegen die feinen Unterschiede, welche die zwei Geschichten des Ehepaars de Carouges kennzeichnen. In ihnen wird das eigentliche Drama des feministisch gefärbten Epos evident: Die Kluft zwischen Mann und Frau, welche durch die jahrhundertelange Ungleichbehandlung der Geschlechter nicht kleiner geworden ist.

Kinostart: 14. Oktober 2021

SRF 1, Tagesschau, 14.10.2021, 19:30 Uhr

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