«Kennen Sie den Weissen Rasling?», fragt die Pilzsammlerin. Sie ist eine der Protagonistinnen in Marion Neumanns Dokumentarfilm «The Mushroom Speaks». Die Regisseurin verneint.
«Man kann ihn essen, der Frau passiert nichts», erläutert die Pilzsammlerin mit schelmischem Grinsen. «Aber der Mann hat hinterher keine Lust mehr. Und er kann auch nicht mehr. Früher haben Frauen ihren Männern den Pilz gekocht, wenn sie genug Kinder hatten.»
Acht Jahre Arbeit am Film
Die Protagonistinnen und Protagonisten von «The Mushroom Speaks» befassen sich mit den unterschiedlichen Einflüssen der Pilze auf den Menschen – auf den Körper, die Psyche, das Wohlbefinden.
Acht Jahre lang hat die Regisseurin am Film gearbeitet. Sie selbst war davor keine Pilz-Expertin. Durch einen Vortrag wurde ihre Faszination geweckt. Marion Neumann machte sich auf eine Reise durch mehrere Länder. Interviewte Forschende und Hobby-Pilz-Enthusiasten. Die Beziehung der unscheinbaren Lebewesen mit ihrer Umwelt fasziniert die Regisseurin.
Wolken dank Pilzen
«Pilze tragen beispielsweise dazu bei, dass Wolken entstehen», erzählt Marion Neumann im Interview. «Das Wasser muss sich irgendwo festhalten. Zum Beispiel an Pilz-Sporen.»
Ein weiterer Protagonist setzt Pilze zur Säuberung der Umwelt ein. Für ein Projekt arbeitet er mit Indigenen zusammen, deren Wasser mit Chrom verseucht ist. «Ich nehme das Myzel, also die Pilzfäden, und gebe sie ins verunreinigte Wasser», erklärt er im Film. «Dann schaue ich, ob das Chrom sich ans Myzel heftet. So kann man die Pilzfäden mitsamt dem Chrom aus dem Wasser entfernen.»
Abbau von Zigarettenfiltern
Filmemacherin Marion Neumann hat ein weiteres Beispiel dafür, wie Pilze eingesetzt werden können: gegen Zigarettenfilter.
«Normalerweise brauchen diese 20 Jahre, um sich zu zersetzen», sagt sie. «Austernpilze zersetzen die Filter in nur zwei Monaten.»
Nur ein Prozent der Pilze beschrieben
Viele dieser Experimente, die in «The Mushroom Speaks» gezeigt werden, finden nicht in grossen Labors statt, sondern in Garagen. Die Erforschung der Pilze sei noch ganz am Anfang, sagt die Regisseurin. Es werde noch nicht genug Geld dafür investiert.
Fünf Millionen Pilzarten gibt es schätzungsweise auf der Welt. Beschrieben wurde bisher nur ein Prozent davon.
Unscheinbar und eklig?
Pilze wurden lange Zeit unterschätzt, sagt Marion Neumann. Weil sie unscheinbar sind. Weil viele sie eklig finden. Oder weil sie oft mit Zerfall verbunden werden.
«Dabei sind sie für jeden natürlichen Prozess auf der Erde essenziell», sagt Marion Neumann. «Sie tun einfach ihre Arbeit. Um die Welt zu retten, wäre es an uns, auch unsere Arbeit zu machen.» Auf dieses Zusammenspiel zwischen Mensch und Pilz macht «The Mushroom Speaks» aufmerksam.
Kinostart: 26.05.2022.