Das mit dem Bösen im Titel, das es nicht geben soll, muss ironisch gemeint sein. Denn der Filmemacher Mohammad Rasoulof wehrt sich notorisch gegen Zensur, Unterdrückung und Gewalt.
Er kennt auch den hohen Preis dafür: Ausreiseverbot, Arbeitsverbot, Haftandrohung. Bis heute, auch wieder wegen dieses Films. Und da soll das Böse nicht existieren?
Die Auflösung steckt im persischen Originaltitel. Dort ist das Böse mit «Sheytan» benannt. Das bedeutet übersetzt: Satan oder Teufel. Damit kommt man der Sache schon ein wenig näher: Das Böse existiert in diesem Film sehr wohl, aber es ist halt nicht dämonen-, sondern menschengemacht.
Tod auf Knopfdruck
Die Prämisse des Spielfilms lässt sich schnell zusammenfassen: Die Todesstrafe im Iran trifft nicht nur die Verurteilten, sondern auch die Beamten und Soldaten, die die angeorderten Exekutionen in die Tat umsetzen sollen. Eine kurze, zentrale Einstellung zeigt das in aller Deutlichkeit.
Die Szene kommt aus dem Nichts und schockiert: Auf Knopfdruck zieht ein Mann fünf Sträflingen den Boden unter den Füssen weg, einige von ihnen zappeln noch am Strick, mehreren fallen die Gefängnisschuhe ab, einer entleert im Todeskrampf seine Blase, Urin tropft auf den Boden.
Die vier Geschichten, die der zweieinhalbstündige Episodenfilm erzählt, drehen sich nun um die Männer, die diesen Knopf drücken: Männer, die mit Hinrichtungen beauftragt werden.
Hier kommt wieder der Titel «There Is No Evil» ins Spiel: Diese Urteilsvollstrecker sind keine Unmenschen. Sie sind Menschen wie wir. Aber sie stecken in einem System, das sie zur Unmenschlichkeit zwingt.
Ein wichtiger Appell
Rasoulofs Haltung zählt. Denn im Iran werden bis heute mehr Todesurteile gefällt als fast überall sonst auf der Welt. Und man versteht, dass diese im Film gezeigten widerwilligen Handlanger des Todes persönlich leiden. Man versteht ihren Ekel. Man versteht, dass sie moralisch angeschlagen sind.
Rasoulof hält an seiner Theorie fest, dass die Todesstrafe nicht nur die Opfer, sondern auch die Täter trifft. Das tut er sehr explizit, manchmal sogar mit einem leichten Zuviel an Nachdruck.
Als etwa im Film ein Soldat desertiert, weil er nicht zum Henker werden will, läuft im Radio seines Fluchtautos ausgerechnet die alte Partisanenhymne «Bella Ciao», die auch im Iran sofort als Widerstandslied erkannt wird.
Ein paar Takte zu viel
Dieser Musikeinsatz ist allzu deutlich, weniger wäre in dieser Szene mehr gewesen. Aber das passiert zum Glück nur selten im Film. Und es fällt auch nur deshalb negativ auf, weil Rasoulof sein Handwerk sonst perfekt beherrscht.
Obwohl er im Iran gar nicht drehen dürfte, gelingt ihm ein bildgewaltiger Film mit vier aufwühlenden, tragischen, mitreissenden Geschichten – die völlig überraschend auch Liebesgeschichten mit starken Frauen sind.
Denn in der Liebe, so zeigt Rasulof, hat das Böse tatsächlich keinen Platz.