Sie stehen etwas schief in der Landschaft, mit ihren Daunenjacken und Moonboots – am Meeresstrand. Gepackt haben die achtjährige Alma und ihre beiden älteren Brüder eigentlich für Ski-Ferien mit ihrem Vater, doch der erfolglose Schriftsteller hat nicht genug Geld für den anvisierten Urlaubsort im Aostatal. Das gesteht er seinen Sprösslingen zwar nicht, aber sie ahnen es – obwohl sie ihren Vater nur alle zwei Jahre sehen.
Aus der Kinderperspektive
«Tutti insieme – Magari» ist der erste selbstgeschriebene Spielfilm der italienischen Filmproduzentin Ginevra Elkann: Sie selbst sagt, sie hätte die Geschichte erzählen wollen wie eine Erinnerung.
Das Publikum sieht daher alles aus der Perspektive der jüngsten Tochter, und die wiederum wünscht sich eines innig: ihre Eltern vereint zu sehen und wieder eine richtige Familie zu werden.
Essen, Trinken, Beten
Doch das wird nie geschehen: Die Mutter wohnt in Paris mit einem Mann namens Pavel, von dem sie schwanger ist. Ihm zuliebe lebt sie jetzt nach christlich-orthodoxem Glauben.
Auch ihre Kinder wurden konvertiert, aber Alma findet sich in der Religion nur schwer zurecht: In der Messe denkt sie unentwegt an Lebensmittel statt an Gott – weil man die othodoxe Messe traditionell mit nüchternem Magen besucht.
Urin als kindliche Opfergabe
Befremdlicher noch: Nachts versucht Alma einmal, mehrere Heilige dazu zu bewegen, ihre leiblichen Eltern doch bitte endlich zu versöhnen – und weil sie gerade keine Opfergabe zur Hand hat, versucht sie es mit dem Trinken von Urin. «Ein kleiner Schluck reicht hoffentlich», flechtet sie flüsternd ins Gebet ein.
Stiller Humor
«Tutti insieme – Magari» schildert solche absurden Momente mit stillem, anteilnehmdem Humor. Ginevra Elkann verzichtet weitgehend auf drastische Wendungen oder künstliche Spannung.
Der Film lebt nicht von seinem Plot, sondern von der facettenreichen Schilderung einer komplexen Situation: die erschwerte Identitätssuche dreier Kinder, die durch die inkompatiblen Lebensmodelle ihrer Eltern hin- und hergeworfen werden.
Dramatisch wird‘s erst zum Schluss
Erst im letzten Drittel beschleunigen zwei dramatische Ereignisse den Lauf der Dinge etwas – aber das sind dann nicht mehr die stärksten Momente im Film. Wirklich gut ist «Tutti insieme – Magari» viel eher als Stimmungsbild.
Mit einer behutsam geführten Kamera und einem starken Ensemble aus hervorragend gecasteten Nachwuchstalenten neben einigen Schauspielgrössen (Alba Rohrwacher, Céline Sallette, Riccardo Scamarcio) bekommt der Film ein bitterzartes Ambiente hin, das die diffuse Beschaffenheit von Kindheitserinnerungen tatsächlich ein Stück weit zu fassen vermag.