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Neu im Kino Zarte Jungs in einer rauen Welt

«The Harvesters» zeigt den Alltag der Afrikaans-Minderheit in Südafrika. Ein eindrücklicher Kommentar über Männlichkeit.

Die Provinz Free State in Südafrika. Hier lebt die weisse Afrikaans-Minderheit meist isoliert. Der Alltag ist geprägt von der Landwirtschaft. Stärke gilt in dieser religiös-konservativen Gemeinschaft als höchste Tugend für einen Mann.

Der Teenager Janno hingegen ist feinfühlig, schüchtern, etwas anders als seine Altersgenossen. Trotzdem geht er pflichtbewusst täglich der harten Arbeit auf dem Hof seiner Eltern nach und widersetzt sich tapfer den Hänseleien seiner Altersgenossen.

Als die Familie aber eines Tages den Strassenjungen Pieter aufnimmt, kann er seine Fassade nicht mehr länger aufrechterhalten.

Eine Mutter mit vier kleinen Kindern auf dem Bett.
Legende: Die Mutter von Janno adoptiert den Strassenjungen Pieter – und verändert damit Jannos Leben. trigon-films

Fromme Bauern fürchten Gottes Zorn

Der neue Bruder wird von Janno als Bedrohung gesehen – stürzt Janno in eine regelrechte Identitätskrise. Er hat Angst, die Zuneigung und Aufmerksamkeit der Eltern zu verlieren. Regisseur Etienne Kallos geht hier nicht unkritisch mit dem Thema der Frömmigkeit der Bauern um.

«Wir können uns nicht aussuchen, welche Gebote wir befolgen», sagt die Mutter in einer Szene zu Janno. Beklemmend wird hier suggeriert, dass die Familie nicht aus Selbstlosigkeit handelte, als sie Pieter aufgenommen hat, sondern vor allem aus Angst vor der Strafe Gottes.

Feinfühlige Milieuzeichnung

Regisseur Etienne Kallos stammt selbst aus Südafrika. Früher drehte er vor allem Dokumentarfilme – das merkt man «The Harvesters» an. Der Film zeichnet feinfühlig und realistisch das Milieu der Afrikaans-Bauern.

Gleichzeitig unterstreichen die schönen, nebeldurchfluteten Bilder gelungen die Stimmung des Films. So widerspiegelt sich in der Verwendung von kaltem und warmem Licht das Gegenüber des kargen Settings und der brodelnden Gefühlswelt der jungen Protagonisten.

Subtil erzähltes Drama

«The Harvesters» erzählt vieles, ohne es direkt zu zeigen. So erfahren wir beispielsweise durch das Gebet einer kleinen Tochter des Hofs von der gefährlichen Realität der weissen Afrikaans-Minderheit. Sie dankt Gott nicht nur für das Dach über ihrem Kopf, sondern auch dafür, dass er die Familie vor Bauernmorden beschützt.

Auch dass Janno schwul ist, wird nie explizit gezeigt, sondern immer nur angedeutet. Eine weitere Erklärung dafür, warum er so heftig auf die Ankunft des neuen Jungen reagiert.

Zwei Jungen, einer mit Mütze
Legende: Janno und Pieter – eine Beziehung zwischen Anziehung, Faszination, Konkurrenz und Gewalt. trigon-film

Zwischen Konkurrenz und Anziehung

Die ambivalente Beziehung zwischen Janno und Pieter wird vom herausragenden Schauspiel der jungen Hauptdarsteller getragen.

Die Spannung, die zwischen Anziehung, Faszination, Konkurrenz und Gewalt hin- und herschwankt, ist in jeder Sekunde zwischen den beiden spürbar. Und sie kompensiert die manchmal etwas gar ruhige Erzählweise des Films.

Ein besonderes Coming-of-Age-Drama

«The Harvesters» lebt vor allem davon, dass die Zerbrechlichkeit dieser zutiefst unterschiedlichen Jungen kontrastiert wird mit der harten Welt, in der sie leben.

Das macht den Film nicht nur zu einem besonderen Coming-of-Age-Drama aus einer uns unbekannten Welt, sondern auch zu einem eindrücklichen Kommentar über Männlichkeit.

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