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«Gaslit» – Neue Serie zur Watergate-Affäre
Aus Tagesschau vom 25.04.2022.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 34 Sekunden.

Neu im Stream Julia Roberts lässt sich in «Gaslit» nicht mundtot machen

Der Watergate-Skandal gilt als einer der brisantesten Polit-Affären der USA. Die Mini-Serie «Gaslit» erzählt den Fall aus einer neuen Sicht: Martha Mitchell (Julia Roberts) brachte als unermüdliche Whistleblowerin den Stein ins Rollen.

«Ich habe vor langer Zeit beschlossen, dass ich sage, was ich denke. Es ist egal, ob der Präsident da mit mir übereinstimmt. Wenn ich deshalb nicht mit der Airforce One fliegen kann, nehme ich halt eine Linienmaschine», sagt Martha Mitchell (Julia Roberts) in der ersten Folge der Serie «Gaslit» noch selbstbewusst.

Sie ist die Ehefrau von John Mitchell (Sean Penn), in den 1960ern und 70ern ein hoher Beamter unter Präsident Nixon. Statt wie ihrer Position angemessen nur hübsch auszusehen und leise zu sein, sagt Martha Mitchell laut ihre Meinung.

Filmszene: Zwei Frauen sitzen einander in einem edel eingerichteten Zimmer gegenüber.
Legende: Martha Mitchell (Julia Roberts) gibt gerne Interviews. Sky Switzerland

Doch irgendwann merkt Martha Mitchell, dass Präsident Nixon und ihr eigener Ehemann in krumme Geschäfte verwickelt sind. Noch bevor die diversen Machtmissbräuche und Verbrechen der Regierung auffliegen und Nixon 1974 aufgrund der Watergate-Affäre zurücktreten muss, will Martha Mitchell mit ihrem Verdacht an die Öffentlichkeit.

Doch die mächtigen Männer, inklusive ihr eigener Ehemann, wollen sie mit allen Mitteln ruhigstellen.

FIlmszene: Ein Mann mit Anzug und Pfeife im Mund sitzt an einer Bar.
Legende: Schauspieler Sean Penn trägt für seine Rolle als John Mitchell mehrere Gesichtsprothesen, um dem Nixon-Vertrauten möglichst ähnlich zu sehen. Sky Switzerland

Eine neue Perspektive auf die Affäre

«Gaslit» beleuchtet den Watergate-Skandal aus einer ungewohnten Perspektive. Der Titel ist abgeleitet vom Wort «Gaslighting». Dieses bezeichnet eine Form von psychischer Gewalt, mit der Opfer gezielt manipuliert und verunsichert werden.

So wird Martha Mitchell unter anderem erzählt, es sei ganz normal, dass Frauen in ihrem Alter paranoide Episoden haben.

Der Ursprung von Gaslighting

Geprägt wurde der Begriff durch das Theaterstück «Gaslight» aus dem Jahr 1938. Es wurde 1944 mit Ingrid Bergman in der Hauptrolle verfilmt.

Das Stück machte diese Art von Manipulation zum ersten Mal öffentlich zum Thema. Der Mann versucht darin seiner Frau einzureden, dass sie sich nur einbildet, dass die Gaslampen (auf Englisch «gaslights») gedimmt werden.

Dabei ist er sich sehr wohl bewusst, dass sie recht hat. Ist er doch selbst dafür verantwortlich, dass die Leuchten dunkler werden.

Filmszene: Eine Frau schaut sich selbst ernst im Spiegel an.
Legende: Martha Mitchell leidet immer mehr unter den Machenschaften der Männer in ihrem Umfeld. Sky Switzerland

Nach der echten Martha Mitchell ist in der Psychologie ebenfalls ein Phänomen benannt: Der Martha-Mitchell-Effekt bezeichnet eine Fehldiagnose, bei der rational begründete Überzeugungen als Hirngespinste gedeutet werden.

Obwohl sich später herausstellte, dass Martha Mitchell mit ihren Vorwürfen recht hatte, erholte sie sich nie mehr ganz vom Erlebten.

Schwarz-Weiss-Porträt einer Frau mit Ohrringen und Perlenkette.
Legende: Die echte Martha Mitchell starb 1976 mit nur 57 Jahren. Hulton Archive/Getty Images

Julia Roberts ist begeistert von der Frau, die sie in «Gaslit» verkörpert. In der «Late Show with Stephen Colbert» sagte sie: «Martha Mitchell war wirklich eine Pionierin. Als Frau in ihrer Position öffentlich die Meinung zu sagen, war ungewohnt. Heute wäre sie sehr beliebt.»

Umso spannender ist es, heute die Watergate-Affäre aus ihrer Perspektive zu sehen.

Die Serie lebt von Julia Roberts

Julia Roberts als Martha Mitchell trägt diese Serie ganz klar. Sie hätte viel mehr Bildschirmzeit verdient. Die Nebenhandlungen, unter anderem aus dem Blickwinkel einer der Watergate-Einbrecher, können da nicht mithalten.

«Gaslit» schwankt zwischen Komödie und Drama: Es wird einerseits gezeigt, wie stümperhaft die involvierten Männer vorgehen – und andererseits spürt man, was Martha Mitchell dabei durchleben musste.

Die Folgen sind teilweise sehr in die Länge gezogen und auf einige der vielen ausgiebigen Dialog-Szenen hätte man getrost verzichten können. Dennoch bieten die acht Folgen einen interessanten neuen Blick auf bereits tausendmal erzählte Ereignisse.

Streamingstart: 24.4.2022 auf Sky Switzerland, neue Folgen erscheinen im Wochentakt

SRF 1, Tagesschau, 25.4.2022, 19:30 Uhr

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