Es gibt im aktuellen Kino keinen grösseren spanischen Regisseur als Pedro Almodóvar. Seit über 40 Jahre dreht er Filme, und seit im Jahr 2000 sein Werk «Todo sobre mi madre» einen Oscar gewann, ist er auch international einer der ganz Grossen.
Almodóvars Filme sind immer Wundertüten. Manche sind besser, manche etwas schwächer. Aber sie alle zeichnen eine immense Lust am Erzählen und tolle Schauspielensembles aus – auch den Film «Madres paralelas» (übersetzt: «Parallelmütter»).
Eine Geschichte, viele Twists
Die Hauptrolle spielt Penélope Cruz, die seit über 20 Jahren eine der Stammspielerinnen bei Almodóvar ist. Hier spielt sie Janis, eine knapp 40-jährige Fotografin, die von einer Affäre schwanger geworden ist und das Kind allein bekommen möchte.
Auf der Gebärstation lernt sie die noch minderjährige Ana (Milena Smit) kennen. Auch sie wird Singlemutter. Die beiden gebären gleichzeitig – und schon bald werden ihre Lebensläufe miteinander verstrickt.
Das läuft zunächst fast nach Schema X ab. Aber Pedro Almodóvar wäre nicht der Meister, der er ist, würde er es dabei belassen. Er verpasst der Geschichte immer hier noch einen Twist, da noch eine Wendung und dort noch einen Dreh.
Familiengeschichten und spanischer Bürgerkrieg
Als wäre das nicht genug – zwei junge Frauen, die sowohl mit ihrem Muttersein als auch mit ihrer Stellung im Leben ringen – gibt es in «Madres paralelas» noch eine zweite Ebene: die Aufarbeitung des spanischen Bürgerkriegs.
Janis bittet nämlich ganz zu Beginn des Films den späteren Kindsvater um Hilfe. Der ist forensischer Anthropologe und soll ein Massengrab in Janis’ Dorf ausheben: Dort sind ihr Ur-Grossvater und neun andere Männer begraben, die von den spanischen Faschisten ermordet wurden.
Dieser Nebenstrang ist nicht nur Geschichtsverarbeitung, sondern Teil des ganzen Filmplots. Denn in diesem Dorf beginnt die Familiengeschichte Janis’, die mit der Geburt ihrer Tochter weitergeht.
Penélope Cruz spielt grossartig
Mit Janis hat Pedro Almodóvar eine seiner komplexesten Filmfiguren bisher geschaffen: engagiert, sympathisch, emotional, zerbrechlich und manchmal auch zwiespältig in ihren Handlungen. Penélope Cruz spielt diese Janis sensationell gut – wahrscheinlich ist das ihre beste Schauspielleistung bisher.
Umso mehr ist es eine unglaubliche Leistung, dass die junge Milena Smit als Ana nicht untergeht neben dieser entfesselten Penélope Cruz, sondern ihre ganz eigene Persönlichkeit auf die Leinwand bringt.
Die Inszenierung immer mitgedacht
Diese ganze komplexe Geschichte inszeniert Almodóvar mit seiner ureigenen Handschrift – immer etwas zu überinszeniert, etwas zu viel Musik – und immer auf der Kippe von Drama zu Melodrama.
Auch die Figuren im Film sind immer hart am Rand der Überzeichnung. Aber eben nur am Rand. Immer gerade so viel, dass sein Film auch als Film, als inszeniertes Kino wahrgenommen wird. Denn Pedro Almodóvar erzählt gern und gut Geschichten. Aber vor allem macht er eines: grosses Kino.