Für Rocco Siffredi ist Sex eine Art Superkraft. Charme und Ausdauer machen den Italiener zum Sex-Superhelden, zum bekanntesten Pornostar der Welt.
In hunderten Filmen hat Siffredi in den letzten fünf Jahrzehnten mitgespielt und dabei unzählige Preise abgeräumt. Bis heute verdient er sein Geld als Produzent von Pornofilmen, in denen er zuweilen immer noch mitspielt.
Familien-Talk und Pommes Chips
Die Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming begründet Siffredis herausragenden Erfolg zum einen mit seiner Präsenz: «Er ist in seinen Szenen sehr intensiv. Diesen enormen Enthusiasmus hat er sich bis heute beibehalten.»
Zudem ist er äusserst charismatisch. In seiner Heimat Italien ist er deshalb weit über die Pornoszene hinaus bekannt. Siffredi tritt zusammen mit seiner Familie in Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auf und ist als Werbeträger für Pommes Chips zu sehen.
Nun gibt es auch eine Netflix-Serie über Rocco Siffredi. Sie erzählt ausführlich von seiner Kindheit in einer italienischen Kleinstadt, von sexuellem Erwachen, von Familien- und Beziehungskrisen. Nicht die Pornokarriere steht im Zentrum der Serie, sondern der Mensch Siffredi.
Und der wird äusserst wohlwollend inszeniert. Siffredi ist in «Supersex» stets sanft, grossherzig und selbstlos. Er opfert sich auf für seinen gestrauchelten Halbbruder und die kranke Mutter, die er auch während Pornodrehs stets brav anruft.
Indes hadert er damit, seinen Beruf mit dem Privatleben in Einklang zu bringen. Die Familie leidet unter Siffredis zweifelhafter Berühmtheit. Beziehungen scheitern daran, dass Siffredi immer wieder Liebe mit Sex verwechselt.
Kaum Blicke auf die Schattenseite
Darüber hinaus werden die Schattenseiten kaum erwähnt. Dabei gäbe es diese durchaus: Der reale Siffredi hat sich wiederholt dazu geäussert, dass er unter einer Sexsucht leidet. Und es werden immer wieder Vorwürfe laut, Siffredi gehe mit seinen Drehpartnerinnen zu ruppig um, dränge sie dazu, Dinge zu tun, denen sie nicht zugestimmt hätten.
Das wird in der Serie zwar angetönt, aber nicht wirklich thematisiert. Auch nicht, dass Rocco Siffredi bekannt ist für harte Pornos. Seine Filme zeigen oft sadistisch Praktiken, und fast immer Analsex. Kulturwissenschaftlerin Oeming sieht Siffredi da sogar als Vorreiter: «Er hat Analsex und andere Analpraktiken populär gemacht. Das war eine grosse Veränderung in der Branche.»
Ausserdem habe Siffredi den sogenannten «Gonzo-Porno» geprägt – günstig produzierte Filme, die ohne Handlung auskommen und sich gänzlich dem Sex widmen. Siffredi hat in der Pornobranche also durchaus Spuren hinterlassen, die man auch kritisch begutachten könnte.
Flottes Drama mit Leerstellen
Doch für das Pornobusiness, das Siffredi während Jahrzehnten erlebt und geprägt hat, interessiert sich die Serie «Supersex» erstaunlich wenig. Statt einer Milieustudie in der Pornobranche bietet die italienische Serie viel Seelenstriptease.
Damit ist «Supersex» ein ordentlich spannendes Drama, auch weil die Serie stark besetzt ist. Der Ambivalenz seiner einzigartigen Hauptfigur wird sie aber nicht gerecht.
«Supersex» läuft ab 6.3. auf Netflix.