Frühe 90er-Jahre: Selbst als Modemuffel kam man an Namen wie Naomi Campbell, Cindy Crawford, Linda Evangelista oder Christy Turlington nicht vorbei. Sie bevölkerten Glamour-Magazine, Werbespots, Klatschpresse und Catwalk-Reportagen.
Niemand wusste so genau, woher sie kamen, aber plötzlich waren sie omnipräsent – diese Models, deren mondäner Lebensstil oft mehr Beachtung fand als die Marken und Designer, die sie vertraten.
Die Serie «The Super Models» setzt nun die vier oben genannten Frauen vor eine Kamera, im nüchternen Dekor, jede einzeln. Die Mitfünfzigerinnen und Mütter erzählen unverblümt von ihren Erfahrungen, grosszügig unterlegt mit schnell geschnittenen Archivaufnahmen, in denen auch Lagerfeld, Versace & Co. zu Wort kommen. Das ist spannend für alle, die der damalige Rummel nicht kaltgelassen hat – es ist aber auch anderweitig aufschlussreich.
Models und Managerinnen
Campbell, Crawford, Evangelista und Turlington sind auch ausführende Produzentinnen der Serie. Dieser Sonderstatus hat den Protagonistinnen sicher ein gewisses Mitspracherecht am Format gewährt, er sagt aber auch aus: Hier sind Geschäftsfrauen am Werk, die nicht einfach gegen Gage auftreten, sondern ihre Auftritte selbstbestimmt steuern.
Unabhängigkeit ist ein Schlüsselelement im Selbstverständnis der vier Models. Mit leuchtenden Augen erzählt Turlington vom Moment, ab dem sie sich ihre Projekte selbst aussuchen konnte – von dieser neuen «Power». Noch deutlicher wird Campbell: «Damit das ein für alle Mal klar ist: Models kann man nicht feuern. Wir sind selbständig erwerbstätig, und unsere Agenturen sponsern uns.»
Glanz, Glamour und Gefahren
Campbell macht diese Aussage im Zusammenhang mit einem Agenten, der nach einer gescheiterten Geschäftsbeziehung rufschädigende Aussagen über sie verbreitete. Solche Geschichten sind natürlich das Salz in der Suppe von «The Super Models»: Wer sich an die Schlagzeilen der 90er erinnert, bekommt hier die Hintergründe aus erster Hand.
Grundsätzlich erscheinen die Models in einem positiven Licht, aber sie sprechen auch über die Schattenseiten des Geschäfts: von Überheblichkeit im Umgang mit astronomischen Honoraren, von Drogensucht, von Wutanfällen gegenüber Paparazzi, von einer inexistenten Privatsphäre, von Realitätsverlust. Und von der stetigen Gefahr, in schädliche Abhängigkeitsverhältnisse zu geraten.
Eine nützliche Masterclass
Völlig offen spricht Evangelista von ihrer sechsjährigen Ehe mit einem Mann, der sie – in ihren Worten – ausnutzte, missbrauchte und schlug. «Aber nie ins Gesicht – er wusste ja, wo das Geld herkam.» In Passagen wie dieser wird deutlich, was die Serie an sozialer Relevanz mitbringt: Die porträtierten Topmodels hatten noch nicht den Rückenwind einer #MeToo-Bewegung.
Faszinierend an der Doku ist ihre historische Tragweite: Sie erzählt von einer Epoche, in der Popkultur und Mode noch undemokratisch stattfanden, ohne Interaktivität, Insta-Stories oder In-App-Käufe. Gerade heute, wo viele Jugendliche mit Influencing als Geschäftsmodell liebäugeln, ist diese selbstkritische Masterclass von vier gestandenen Showgrössen unbestritten relevant.
Die vier Folgen von «The Super Models» lassen sich über Apple TV+ streamen.