«From the Imagination of Tim Burton» steht auf dem Plakat. Das stimmt nur halb: Burton hat bei vier von acht Folgen Regie geführt – nicht den besten – und war einer von vierzehn Produzentinnen und Produzenten.
Die kreative Kraft hinter der Serie ist das «Smallville»-Autorengespann Alfred Gough und Miles Millar. Aber schon klar: Tim Burtons Name dient beim Abholen des Zielpublikums.
Addams Family à la Tim Burton mit weiblicher Hauptfigur – das lässt in etwa erahnen, was die Serie anbietet: übernatürlicher Teenage-«Soft Gothic» mit grosszügig eingestreutem Comedy-Faktor. Ungefähr das gleiche stilistische Register, in dem sich der Disney-Konzern unlängst mit dem Spielfilm «Cruella» (2021) versucht hat.
Misanthropie als Grundhaltung
Die junge Wednesday Addams (Jenna Ortega) ist schwarz gewandet und durchlebt pubertätsbedingt noch menschenfeindlichere Gemütslagen als sonst schon. Sie ist nicht depressiv, aber sie teilt sich ihrem Umfeld ausnahmslos über Sarkasmen mit und rät ihren Mitmenschen davon ab, sich ihr freundschaftlich zu nähern.
Wednesday wird nach einem Regelverstoss an der High-School in ein Internat gesteckt, wo Vampire und Werwölfe geschult werden. Der Ort entpuppt sich für Wednesday als Tor zur Vergangenheit: Es warten düstere Visionen, ein tödliches Monster und ein Fluch, in dessen Zentrum sie wider Willen selbst steht.
Distanz zur Heldin
«Wednesday» krankt in den ersten Folgen an den disparaten Zutaten: Der Einstieg harzt, weil Wednesday mit ihrer radikal-zynischen Ausdrucksform nur schwer einsetzbar ist als Young-Adult-Heldin. Man bindet sich nicht leicht an eine Figur, die selbst nicht den Anflug einer emotionalen Regung zulässt.
Hinzu kommt: Der «Addams Family»-Humor funktioniert mit seinen Einzeilern vor allem im Sitcom-Format – in einen episch angelegten Handlungsbogen eingestreut, wirken die schnippischen Dialoge oft fehl am Platz.
Viel Vertrautes
Kurzweilig ist die Serie aber von Anfang an, und auch der makabre Humor funktioniert sofort. Man wünscht sich lediglich, die heiteren und ernsten Elemente würden sich besser vermengen. Die unüberhörbar von Danny Elfman konzipierte Grusel-Filmmusik und das kunstneblige Ambiente sorgen aber für eine vertraute Stimmung an der Oberfläche.
So richtig in die Gänge kommt die Serie aber erst nach Folge vier, nachdem diverse Grundzutaten des US-College-Genres (ein Sportwettbewerb, ein Prom) ironisch abgehakt wurden, und sich auch das erwachsene Publikum dem Stoff nähern kann. Und siehe da: In der zweiten Staffelhälfte funktioniert plötzlich alles.
Aufholjagd in der zweiten Hälfte
Der Trick: Die Geschichte samt ihren Wendepunkten wird immer abstruser und gleicht sich damit der Weltsicht von Wednesday an, die sowieso davon ausgeht, dass alles immer noch schlimmer kommt. Je mehr Nebenpersonen sich als die viel schrilleren Geschöpfe entpuppen, als die sie eingeführt wurden, desto treffsicherer wirken Wednesdays despektierlichen Kommentare.
In der letzten Folge der ersten Staffel wird nicht nur dem Familienfluch auf den Grund gegangen: Die Autoren schaffen zudem Raum für ein ungeahnt emotionales Finale. Wobei Wednesday ihre Leck-mich-Haltung aber keinen Moment lang ablegt – denn ihre Attitüde wird sie zweifellos noch für eine zweite Staffel brauchen.